Unser Gedächtnis
Während ich zu euch spreche, dringt das Wasser in die Totenkammern; es ist das Wasser der Sümpfe und Ruinen, es ist kalt und trübe – wie unser schlechtes Gedächtnis«, heißt es in Alain Resnais’ Film »Nacht und Nebel« (1955). »Der Krieg schlummert nur.« Der Text, der den beklemmenden Bildern dieses ersten Dokumentarfilms über die Vernichtungslager der Nazis unterlegt ist, stammt vom französischen Dichter Jean Cayrol, der in der Résistance gekämpft und das KZ Mauthausen überlebt hatte. Die literarische Übersetzung ins Deutsche besorgte Paul Celan. Resnais kombiniert in den 32 Minuten des Films Schwarzweißaufnahmen von der Befreiung verschiedener Konzentrationslager mit farbigen Bildern der Lagerruinen in Auschwitz zehn Jahre später: verrosteter Stacheldraht auf Elektrozäunen, Risse in Betonmauern der Gaskammern, aufgehäufte Schuhe, Brillen und Haare der Ermordeten. Die eindringliche Filmmusik wurde von Hanns Eisler komponiert. Als das Werk 1956 bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt werden sollte, intervenierte die bundesdeutsche Botschaft. Mit Erfolg. Der Film wurde dennoch zum Klassiker, und prägte weltweit die Erinnerung an den Holocaust. Anlässlich des 75. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz wird »Nacht und Nebel« am morgigen Donnerstag in der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz aufgeführt, live begleitet vom »Jewish Chamber Orchestra Munich«. Beginn ist 20 Uhr. (jW)
Mehr aus: Feuilleton
-
Kanonenfutter bei Laune
vom 29.01.2020 -
Schrade, Jäger, Piwitt
vom 29.01.2020 -
Herr Goethe denkt nach
vom 29.01.2020 -
Täglich Bernstein. Köche
vom 29.01.2020 -
Rotlicht: Homophobie
vom 29.01.2020 -
Nachschlag: Wichtigste Frage
vom 29.01.2020 -
Vorschlag
vom 29.01.2020