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Aus: Ausgabe vom 22.09.2020, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Gewerkschaftspolitik

Kein Widerspruch: Ökoumbau und Tageskampf

Von Oliver Rast

Alles war angerichtet: Häppchen vom italienischen Caterer, Kaffee aus der Filtertüte, druckfrischer Geschäftsbericht samt Lebensläufen der Protagonisten. Die IG Metall Berlin hatte am vergangenen Mittwoch zum Pressegespräch in das altehrwürdige Gewerkschaftsgebäude mit dem dreieckigen Grundriss am Halleschen Tor in Kreuzberg geladen. Der Anlass: Die Berliner Metaller haben einen neuen 1. Bevollmächtigten. Der heißt Jan Otto, war zuvor in dersselben Funktion im IGM-Bezirk Ostsachsen tätig. Mit seiner Kollegin, der 2. Bevollmächtigten Regina Katerndahl, stellte er sich dem Frage- und Antwortspiel. Erschienen war ein halbes Dutzend Journalisten.

Während der Aufwärmphase der Runde, die Berufsschreiber waren noch mit ihrem Imbiss beschäftigt, skizzierte das IGM-Führungsduo die »bunte und breite Industrielandschaft« in der Hauptstadt. Kernaufgabe: »Wir müssen die Belegschaften im industriellen Strukturwandel mitnehmen«, so Otto. Nicht nur das, die Metaller wollen sich in diese Prozesse einklinken, an neuen Geschäftsmodellen mitarbeiten, die Rolle als »Sozialpartner« annehmen, aktiv sogar. Bloß: »Bei so viel betrieblicher Mitmachpolitik bleibt der Gewerkschaftskampf auf der Strecke, oder?«, fragte jW. Otto hielt kurz inne, erwiderte dann: »Wir schlagen auch hart zu«, Kunstpause, »wenn es sein muss«.

Katerndahl wurde konkreter, berichtete über die Dialogarbeit der IGM-Vertrauensleute mit Kolleginnen und Kollegen, bei Siemens und Osram etwa. Bei letzterem Konzern seien Investitionen dringend nötig, so die Gewerkschafterin, »sonst wird es im Herbst richtig turbulent.«

Der »Reformer« Otto hielt sich im Diskussionsverlauf an sein »Metathema«, die sozial-ökologische Transformation. »Wir brauchen ein Bild davon, wo wir als IG Metall in den nächsten Jahren hinwollen«, mahnte Otto. Außerdem solle man die Beschäftigten nicht unterfordern, programmatische Debatten seien nicht nur möglich, vielmehr für die Gewerkschaft existentiell.

jW hakte nach: »Kollegen, die direkt vor dem Jobaus stehen, sollen sich parallel um die große Transformation Gedanken machen?« Er, Otto, wisse um den täglichen Spagat in der Gewerkschaftsarbeit – und meinte: »Beides, der Kampf um jeden Arbeitsplatz und Bündnisse mit Umweltorganisationen etwa sind kein Widerspruch.« Eine Beschäftigtenbefragung Ende September soll darüber Aufschluss geben, mit welchen Forderungen die IGM in die nächste Tarifrunde gehen wird, wurde Katerndahl zum Abschluss etwas konkreter. Übrigens war nach den 90 Minuten Pressegespräch das Buffet abgeräumt.

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