Rechtsstreit um mediale Entgleisung
Luxemburg. Im Rechtsstreit zwischen einem polnischen KZ-Überlebenden und dem Mittelbayerischen Verlag könnte nach Ansicht eines Gutachters des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine Klage in Polen zulässig sein. Generalanwalt Michal Bobek stellte am Dienstag in seinem Gutachten u. a. klar, dass es für den Verlag vorhersehbar gewesen sein müsste, dass sich auch in Polen jemand verletzt fühlen könnte. Darüber müsse ein polnisches Gericht entscheiden (Rechtssache C-800/19).
Hintergrund ist die Klage eines ehemaligen Häftlings des Vernichtungslagers Treblinka. Der Mann hatte den Verlag in Polen auf Unterlassung, öffentliche Entschuldigung und Schadenersatz verklagt, weil in einem Artikel auf Mittelbayerische.de vom »polnischen Vernichtungslager Treblinka« die Rede war – was später nach Intervention polnischer Diplomaten geändert worden war. Der Mittelbayerische Verlag ist der Ansicht, dass den polnischen Gerichten die internationale Zuständigkeit fehle. Der Verlag verweist darauf, dass der Artikel sich zum einen nicht unmittelbar auf den Kläger beziehe. Zum anderen weise der Verlag vor allem ein regionales Profil auf und betreibe das Portal nur auf Deutsch.
Bobek schrieb, dass das polnische Gericht zuständig sein könnte. Es lasse sich nur schwer vertreten, »dass es für einen Herausgeber in Deutschland, der die Formulierung ›polnisches Vernichtungslager Treblinka‹ in das Internet stellt, vollkommen unvorhersehbar sein soll, dass sich jemand in Polen von dieser Aussage angegriffen fühlt«. Allerdings verweist Bobek auch darauf, dass das polnische Verständnis von Persönlichkeitsrechten deutlich vom EU-Verständnis dieser Rechte abweicht. Deshalb wäre es nachvollziehbar, wenn etwa die BRD ein Urteil in dem Fall nicht anerkennen würde. (dpa/jW)
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