Wer hat Angst vor Rosa?
Von Dietmar KoschmiederGerade konnten wir ihren 150. Geburtstag feiern: Rosa Luxemburg regt auch heute zum Denken und Handeln an und erregt weiterhin die Gemüter. So hat der ehemalige IBM-Manager und langjährige Präsident der deutschen Industriellen Hans-Olaf Henkel schon vor Jahren vor einer Verharmlosung dieser Frau gewarnt: Manche würden in ihr nur die liebe Demokratin sehen, in Wirklichkeit sei sie aber Kommunistin gewesen, die das Wirtschaftssystem habe stürzen wollen, weshalb sie schon eher so was wie eine Terroristin gewesen sei.
Einer dieser Verharmloser ist Jörn Schütrumpf. Der entwirft in einer Publikation der Rosa-Luxemburg-Stifung zum Geburtstag der Revolutionärin eine ganz besondere Legende: »Die Angst der Kommunisten vor einer Leiche« ist sein Beitrag zu Rosa Luxemburg überschrieben. Unterstellt wird dort, dass es ausgerechnet Kommunisten seien, die Angst vor der Gründerin der KPD hätten, weil es Meinungsverschiedenheiten in der Strategie- und Taktikdiskussion zwischen Luxemburg und Lenin gegeben habe. Schütrumpf verschleiert damit ein weiteres Mal den konsequent revolutionären Ansatz der Kommunistin, der sie viel mehr mit Lenin verbindet, als Differenzen sie von ihm trennen. Nur ein Beispiel dafür, wie Luxemburg entpolitisiert wird, um bürgerlich-angepasste Politik auch heute noch als sozialistisch verkaufen zu können.
Aber die Angst der Eberts und Noskes vor Rosa Luxemburg lag keineswegs darin begründet, dass sie etwas anderes wollte als Wladimir I. Lenin. Vielmehr musste sie sterben, weil sie dafür wirkte, dass wie in Russland auch in Deutschland der Kapitalismus durch eine sozialistische Revolution beendet wird. Und weil diese Aufgabe bis heute noch nicht erledigt ist, bleibt Rosa Luxemburg gefährlich, was der Industrielle Henkel präziser erfasst als der Autor Schütrumpf: Auch heute »glaubt mehr als jeder zweite Deutsche, dass der Kapitalismus mehr schadet als nutzt«, heißt es in der FAZ vom 25. Februar 2020. Der Beitrag startet mit dem Satz: »Der Kapitalismus ist in der Defensive, sozialistisches Gedankengut auf dem Vormarsch.« Das macht klar, wer Angst vor Rosa Luxemburg hat.
Aktionspakete mit Plakaten, Flyern, Aufkleber sind unter jungewelt.de/aktionspaket erhältlich
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Mehr aus: Aktion
-
Vergnügen und Widerspruch
vom 10.04.2021 -
Heraus zum 1. Mai – mit der jungen Welt!
vom 10.04.2021