Wirkmächtig
Von Dietmar KoschmiederZuerst die gute Nachricht. Die deutsche Bundesregierung hält die Tageszeitung junge Welt für sehr erfolgreich: Es gelänge ihr, mit ihrer Berichterstattung und durch eine nach Kriterien vorgenommene Auswahl der Themen einen großen Adressatenkreis zu erreichen und als Multiplikator zu wirken! Und weil die junge Welt von einem »nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung« gelesen werde, habe sie »Relevanz und damit (…) Wirkmächtigkeit«, meint die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage von 52 Abgeordneten der Partei Die Linke, die wissen wollten, weshalb die junge Welt jedes Jahr als einzige Tageszeitung im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird.
Forum für revolutionäres Gedankengut
Auch ansonsten hält die Bundesregierung mit Lob nicht hinter dem Berg: Die junge Welt sei nicht beliebig, sondern »die Auswahl der Artikel und Meinungsäußerungen lässt eine bestimmte inhaltliche Linie erkennen«. Die junge Welt »schafft (…) Gegenöffentlichkeit«, es kämen Aktivisten und Vertreter von Organisationen des In- und Auslands zu Wort und könnten dort »in eigenen Beiträgen und Interviews politische Positionen« vorstellen, genannt werden rund ein Dutzend solcher Vereinigungen. Da dies zumeist »linke bis linksextremistische Positionen« seien, könne man die junge Welt auch als »Forum für revolutionäres Gedankengut« bezeichnen!
jW den Nährboden entziehen
Nanu, fragt sich der aufgeklärte Leser, will die Bundesregierung der Tageszeitung junge Welt mit solchen Argumenten mehr Abonnements und Anzeigenkunden verschaffen? Natürlich ist genau das Gegenteil der Fall. Gerade weil die junge Welt so »wirkmächtig« sei, müsse ihr »der Nährboden entzogen« werden. Denn der Regierung gefällt nicht, dass die junge Welt ihre journalistische Arbeit von marxistischer Position aus angeht – genau das sei verfassungsfeindlich. Denn der Marxismus gehe von der Existenz von Klassen aus – das aber widerspräche der Menschenwürde. Deshalb wird im ganzen Schriftstück an keiner Stelle die angebliche Verfassungsfeindlichkeit belegt – es reicht ja nachzuweisen, dass die jW marxistisch und dazu erfolgreich sei. Und deshalb müsse die Regierung »Verfassungsschutz durch Aufklärung der Öffentlichkeit« betreiben. Zum Beispiel durch die anprangernde Erwähnung von Zeitung, Verlag und Genossenschaft im Verfassungsschutzbericht. Auf die Frage, dass dies (neben der Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit) doch zu wettbewerbsrechtlichen Behinderungen und Einschränkungen der Gewerbefreiheit führen könne, meint die Bundesregierung lapidar: »Das hatte der Gesetzgeber im Blick.«
Unterstützungshandlungen
Und weiter ganz offen: »Es ist geradezu das Ziel (…), damit den weiteren Nährboden entziehen zu können.« Der Nährboden aber, auf dem eine junge Welt gedeihen kann, wird bestimmt durch die Zahl der Leserinnen und Leser, die Zahl der Print- und Onlineabos, die die Arbeit finanzieren, die Genossenschaft und die gezeichneten Anteile, die Mitarbeitenden von Verlag und Redaktion, aber auch die vielen freien Autoren, die vielen Unterstützer. Sie alle machen den Nährboden des Erfolgs der jW aus, und deshalb sind sie alle im Visier der Bundesregierung und des Inlandsgeheimdienstes, wird offen formuliert. Weil sie alle mit ihren »Unterstützungshandlungen« die verfassungsfeindlichen Ziele der Zeitung befördern würden.
1.000 Abos sofort!
Die Bundesregierung und ihr Inlandsgeheimdienst kämpfen also verdeckt und offen dafür, dass die junge Welt an Relevanz verliert. Weil, so einer der Vorwürfe, sie sich auf Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg bezieht. Unsere Antwort darauf kann nur sein, dass sie mit diesem grundgesetzwidrigen Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit genau das Gegenteil erreichen! Deshalb fordern wir alle Freunde, Leserinnen und Leser, Unterstützer, Autoren und Genossenschaftsmitglieder auf: Tun wir alles, um den »Nährboden« der jungen Welt zu stärken – jetzt erst recht! Das wichtigste und wirksamste Mittel dazu: Verschaffen wir der jungen Welt so schnell wie möglich 1.000 zusätzliche Print- und Onlineabos! Jetzt selber abonnieren! Jetzt Abonnements einwerben! Darüber hinaus hilft aber auch jedes Probeabo, die junge Welt noch bekannter zu machen, und jeder Genossenschaftsanteil, die ökonomischen Grundlagen zu stabilisieren!
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
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Josie Michel-Brüning, Wolfsburg