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Aus: Ausgabe vom 19.08.2021, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: Unter den Teppich gekehrt

Ein Leserbrief von zwei Richtern am Bundesgerichtshof in einer Fachzeitschrift brachte Anfang August ein fast zwölf Jahre zurückliegendes Ereignis in Erinnerung, das bei keiner »Aufarbeitung« der deutschen Beteiligung am Krieg der NATO in Afghanistan fehlen sollte.

Am 4. September 2009 um 1.51 Uhr bestellte Bundeswehr-Oberst Georg Klein bei den US-amerikanischen Verbündeten einen Luftangriff, bei dem eine unbekannte Zahl von Zivilisten getötet oder verletzt wurde. Mehrere hundert Menschen hatten sich an einem Fluss in der Provinz Kundus versammelt, um Treibstoff aus zwei Tankwagen abzufüllen. Taliban-Kämpfer hatte diese zunächst geraubt, waren aber bei der Weiterfahrt in einer Furt steckengeblieben.

Warum so viele Zivilisten zu dieser Tageszeit auf den Beinen waren: Es war im Fastenmonat Ramadan, und in den Dörfern bereitete man gerade das übliche Nachtmahl vor. Dass in der Menge Zivilisten waren, erfuhr Klein spätestens durch die US-amerikanischen Piloten, die deshalb von einem Angriff abrieten. Der Oberst bestand auf seinem Auftrag. In seinem Bericht schrieb er später, er habe nach den ihm vorliegenden Informationen davon ausgehen können, »mit höchster Wahrscheinlichkeit nur Feinde des Wiederaufbaus zu treffen«. Klein setzte sich also bewusst über den Unterschied zwischen Kombattanten und Zivilisten hinweg.

Der Generalbundesanwalt leitete routinemäßig, aber anscheinend ohne großes Engagement Ermittlungen gegen Klein ein, die er nach einem Monat einstellte. Im April 2013 wurde Klein zum Brigadegeneral befördert. Seit April dieses Jahres ist er Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium.

In ihrem Leserbrief beschwerten sich die beiden BGH-Richter dennoch, dass Klein schlimmes Unrecht geschehen sei. Unter anderem bezweifelten sie die Zahl der Todesopfer, die von einer afghanischen Untersuchungskommission mit rund 100 angenommen worden war. Örtliche Augenzeugen hatten von 140 Toten gesprochen. (km)

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