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Aus: Ausgabe vom 11.01.2022, Seite 3 / Schwerpunkt
»Radikalenerlass« in der BRD

Hintergrund: Verfolgungsfuror gegen Linke

Am 28. Januar 1972 verabschiedeten in der BRD die Ministerpräsidenten der Länder unter Vorsitz des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt (SPD) den »Erlass zur Beschäftigung von Radikalen im öffentlichen Dienst«. In den folgenden Jahren wurden etwa 3,5 Millionen Bewerberinnen und Bewerber überprüft. »Der Verfassungsschutz erhielt den Auftrag zu entscheiden, wer als ›Radikaler‹, als ›Extremist‹ oder als ›Verfassungsfeind‹ zu gelten hatte. Personen, die ›nicht die Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten‹, wurden aus dem öffentlichen Dienst entfernt oder gar nicht erst eingestellt«, erinnern Betroffene des Verfolgungsfurors auf ihrer Internetseite www.berufsverbote.de. Dort findet sich auch der Aufruf »50 Jahre Berufsverbote – demokratische Grundrechte verteidigen!«.

Es kam zu mehr als 11.000 Berufsverbotsverfahren, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.256 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen. Betroffen waren Mitglieder der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und maoistischer Parteien, linke Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) und linker Studierendenverbände, Aktivistinnen und Aktivisten der Friedensbewegung sowie linke Sozialdemokraten.

Erst vor wenigen Wochen warnte der »Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte« anlässlich der Ankündigung der neuen Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, »Verfassungsfeinde« aus dem öffentlichen Dienst entfernen zu wollen, vor neuerlicher Repression und Gängelung. Im Koalitionsvertrag heißt es: »Die in anderen Bereichen bewährte Sicherheitsüberprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern weiten wir aus und stärken so die Resilienz der Sicherheitsbehörden gegen demokratiefeindliche Einflüsse.«

Derlei Ankündigungen stoßen bei den früheren Berufsverbotsopfern auf entschiedene Ablehnung. »Es wird ehrlicherweise nicht einmal der Versuch unternommen, diese Maßnahme mit den tatsächlich bedrohlichen rechten Unterwanderungsversuchen von Polizei und Bundeswehr zu begründen«, kritisieren sie in einer auf ihrer Internetseite veröffentlichten Erklärung. Statt dessen würden »in plumpster extremismustheoretischer Manier ›Rechtsextremismus, Islamismus, Verschwörungsideologien und Linksextremismus‹ gleichgesetzt«. Den Geheimdiensten spreche »die neue Regierung allen rechten Skandalen zum Trotz ihr vollstes Vertrauen aus«. Aus »eigener bitterer Erfahrung« wisse man jedoch, »dass eine solche Politik allein den Rechten in die Hände spielt«. (bern)

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