Am Kern vorbei
Nach der Antisemitismusdebatte der vergangenen Monate haben die Verantwortlichen der Documenta 15 in Kassel ein klares Bekenntnis zur Kunstfreiheit und zum indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa abgelegt. »Aus der historischen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine ganz klare Haltung zu Antisemitismus und dem Existenzrecht Israels«, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende, Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD), am Mittwoch. Er mahnte, genau hinzusehen und nicht vorschnell zu verurteilen. Ein lokales Bündnis hatte Ruangrupa vorgeworfen, bei der Schau seien auch Organisationen eingebunden, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien. Ruangrupa und die Documenta wiesen die Anschuldigungen entschieden zurück. Seither wird die Diskussion medial immer wieder befeuert. Am Sonnabend wird die alle fünf Jahre ausgerichtete Weltkunstschau für das Publikum geöffnet.
Im Zentrum des künstlerischen Konzeptes von Ruangrupa stünden kollektives Arbeiten, Solidarität, Teilhabe und Gemeinwohlorientierung anstelle von Individualismus, Profitgier und Machtstreben, betonte Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann. Die Gruppe sei kritisch gegenüber dem westlichen Ideal des Künstlers als Genie, den Gesetzen des Kunstmarktes und Institutionen allgemein. »Die anhaltende Debatte, die seit Jahresanfang die Vorbereitungen begleitet, geht an diesem Kern des Konzepts bislang weitgehend vorbei und riskiert so die Auseinandersetzung mit einer Documenta, die essentiell andere Konzepte für die Fragestellungen des 21. Jahrhunderts erprobt«, so Schormann. (dpa/jW)
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