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Aus: Ausgabe vom 27.09.2022, Seite 10 / Feuilleton
Krimikunde

Liebstes Gift

Blausäure, Arsen, Strychnin, Fingerhut – Leser von Kriminalromanen kennen alle diese mörderischen Substanzen. Doch vermutlich fand keiner dieser todbringenden Stoffe im Westdeutschland der Nachkriegszeit eine so große Verwendung wie E 605. Vor 70 Jahren wurde das erste nachgewiesene Verbrechen der Bundesrepublik mit dem Gift verübt. Es sollte der Auftakt zu einer Vergiftungswelle werden. Noch in den 1980er Jahren sprachen viele mit schwarzem Humor von E 605 als »Schwiegermuttergift«. E 605 ist ein Insektizid, das 1944 entdeckt wurde und in den 50er Jahren populär war. Am 27. September 1952 starb Karl Franz Lehmann aus Worms unerwartet unter heftigen Krämpfen. Dass es sich dabei um ein Verbrechen handelte, dämmerte der Polizei erst zwei Jahre später, nachdem sich im engsten Umkreis der jungen Witwe Christa Lehmann ähnliche Todesfälle gehäuft hatten. Sie gestand drei Morde. Kurz nach Bekanntwerden des Falles wurde das Mittel in Deutschland und Österreich bei Suizidalen und Mördern en vogue. Seit 20 Jahren ist es auf Feldern in der EU verboten. (dpa/jW)

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