75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Donnerstag, 21. November 2024, Nr. 272
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 17.06.2023, Seite 4 / Inland

Gysi warnt Wagenknecht vor »Mandatsklau«

Berlin. Der frühere Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hat die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht aufgefordert, Abstand von der Gründung einer Partei zu nehmen. Sollte sie eine Partei gründen, müsse sie ihr Bundestagsmandat zurückgeben, forderte Gysi am Freitag: »Alles andere wäre dann für mich wirklich ein Mandatsklau, und zwar ein unmoralischer Mandatsklau.« Gegnern und Konkurrenten sei es nach 1990 nicht gelungen, die Partei auszuschalten. Nun sagten sich einige Linke, »wir müssen das selbst machen«. (dpa/jW)

  • Leserbrief von E. Rasmus (20. Juni 2023 um 12:08 Uhr)
    Ein Rechtsanwalt ruft: »Haltet den Dieb!«? Aber – ist das nicht geschichtlich aus der Zeit der Konterrevolution mit Hilfe eines Parteiputsches von 1989 verbürgt, was seither wessen Recht ist? Der viel gerühmte Pluralismus, samt dem bürgerlichen Parlamentarismus, stellt sich doch nur als Feigenblatt für das real existierende Unrecht der derzeit herrschenden Klasse heraus. Und dafür bedarf es solch nützlicher Opportunisten und rhetorisch perfektionierten Massenverführer wie beispielsweise Gysi junior. Sein Vater Klaus würde sich im Grabe umdrehen, wüsste er davon.
  • Leserbrief von Andreas Kubenka aus Berlin (19. Juni 2023 um 15:02 Uhr)
    Ich kann mich nicht erinnern, dass die Pseudolinkspartei PDL im letzten Wahlkampf für NATO-Hochrüstung und antirussische Kriege explizit Wahlkampf gemacht hätte. Sie hat dafür von ihren Wählern also auch kein ausdrückliches Mandat erhalten! Vielmehr darf man davon ausgehen, dass viele der PDL-Gründer der künftigen »Wagenknechtpartei« hiermit ganz im Sinne des tatsächlichen Wählerauftrags vieler PDL-Wähler handeln. Wer klaut hier wem was? Auf jeden Fall beklaut die herrschende PDL-Politik ihre Wähler, weshalb es auch immer weniger werden!
  • Leserbrief von Peter Groß aus Bodenseekreis (19. Juni 2023 um 14:24 Uhr)
    Annalena Baerbock, die Maggi Thatcher der Bundesrepublik, und ihre Auswahl von Schoßhündchen der »Linken« demoralisieren das deutsche Wahlvolk wie es schlimmer nicht geht. Dass Habeck Vizekanzler ist, liegt wohl daran, dass er im Gegensatz zu Baerbock ein Studium abgeschlossen und die SPD bei Gewerkschaften immer noch eine große (Rentner)Basis hat. Deutsche Kleinbürger mit Mittelstandambitionen mögen Akademiker mit (egal was für einen) Abschluss. Nach Merkel wollte man kein neues Hausmütterchen als Kanzlerin. Das war Baerbocks (sozialisiert in Hannover) Sternstunde. Um es vorwegzunehmen, Sahra Wagenknecht wäre gut beraten, auf eine Parteigründung zu verzichten und als frei denkende Galionsfigur der Friedensbewegung Plätze und Hallen zu füllen. Wie gut das geht, haben Roger Waters und ein brillantes Technikteam eindrucksvoll belegt. Kein Parteiapparat wäre leistungsfähig genug es zu schaffen. Das deutsche Parteienmodell ist seit der Grünen Machtübernahme am Ende, weil die Politik (wie immer) von in Regierungsjets mitfliegenden Industriebossen gestaltet wird und beispielsweise NGOs bei der globalen Mauschelei nicht geduldet werden. Um das Bild der britischen Politikerin zu vertiefen, empfehle ich die Dokumentation: »Die Thatcher-Jahre« (F 2022, Arte). Thatcher stellte sich als bürgerlich-mittelständische Hausfrau mit höherer Grundschulbildung vor, die mitleidlos gegen Männer die Blutgrätsche einsetzt. Gewählt wurde sie für ihre Amerikanähe als Nixon-Groupie, beseelt von unbedingtem Kommunistenhass. Eine neoliberale Domina, die nur die neunschwänzige Katze und eine schießwütige, mordlüsterne Polizei für alle (beispielsweise Grubenarbeiter) ganz Unten kennt. Ihr Bekenntnis zur Freiheit, natürlich nur für Ausbeuter und mittelständische Sklavenhalter, führte zwar zu Aufständen und Massensolidarität, da aber Briten gleich große Angsthasen wie die überwiegende Zahl deutscher Wähler sind, hoffen sie, sofern nicht anarchistisch oder Punk affin, auf vom Tisch fallende Krümel.
  • Leserbrief von Doris Prato (19. Juni 2023 um 11:45 Uhr)
    Gregor Gysi hat wohl vergessen, wie er im Oktober 1989 an der Spitze einer Gruppe von so genannten »Reformern« das Politbüro der SED absetzte und selbst die Parteiführung übernahm. Bei dem später gern »Sturm aufs große Haus« genannten Vorgehen handelte es sich quasi um einen Parteiputsch, denn immerhin war die Führung auf dem letzten Parteitag gewählt worden. Damit begann unter Gysi der lange Prozess der Umwandlung der SED in die sozialdemokratische PDS der schließlich zu der daraus hervorgegangenen Partei Die Linke und dem in ihr heute herrschenden Chaos führte. Erinnert sei daran, dass Gysi damals nach einem Besuch bei noch KPdSU-Generalsekretär Gorbatschow im Januar 1990 nach Rom eilte, um bei Achille Occhetto, dem letzten IKP-Generalsekretär, Erfahrungen bei der vor sich gehenden Liquidierung der IKP durch ihre unter der Losung der »Heimkehr zur Sozialdemokratie« erfolgende Umwandlung in eine sozialdemokratische Linkspartei PDS zu studieren (dabei ergab sich aus dem Namen Partito Democratico della Sinistra in Italien auch noch die Namensgleichheit mit dem deutschen Parteikürzel PDS, das die SED, nachdem sie zunächst den Doppelnamen Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS) geführt hatte, sich ab 4. Februar 1990 nur noch Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) nannte. Gysi scheute sich auch nicht, in Rom mit Sozialisten-Chef Bettino Craxi zusammenzutreffen, der schon zu dieser Zeit der Korruption verdächtigt und 1994 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. Der Hintergrund war, dass – wie dann auch bekannt wurde – Gysi sich mit dem Gedanken trug, auch hier das IKP-Modell aufzugreifen und der SPD den Beitritt seiner PDS anzutragen. Aber während die CDU der BRD, wie auch die Liberalen ohne Bedenken ihre ostdeutschen Schwesterparteien vereinnahmten, fehlte der SPD zu solch einem Schritt der strategische Weitblick, mehr wohl noch der Mut. Aber Craxi, der bereits 1986 das Angebot Alessandro Nattas, des ersten Nachfolgers Berlinguers im Amt des Generalsekretärs, zur Vereinigung der IKP mit der ISP zu einer neuen Linken Partei abgelehnt hatte, war auch diesmal nicht bereit. So konnte Gregor Gysi diesbezüglich nicht mit einem entsprechenden Signal aus Rom nach Berlin zurückkehren. Er versuchte dennoch, die DKP im Vorfeld des »Vereinigungsprozesses« auszuschalten. Sie sollte sich auflösen und ihre Mitglieder einzeln in die PDS eintreten. Nachzulesen ist das in der kürzlich erschienen Schrift »Die Stunde der Opportunisten« von Gerhard Feldbauer, in der im Kapitel »Ein waschechter Opportunist« ebenso die Rolle Lothar Byskis aufgezeigt wird, oder wie Hans Modrow mit seiner Losung »Deutschland einig Vaterland«, mit der er den Hinweisen Gorbatschows folgend faktisch die DDR zur Disposition stellte. Gorbatschow, den Modrow noch 1991 in seinem Buch »Aufbruch und Ende« (Konkret Verlag Hamburg) als einen Menschen würdigte, der »in großen Maßstäben denkt, der ein sehr komplexes Denken hat«, zu dem er »ein herzliches persönliches, aber auch ein konstruktives Arbeitsklima« hatte, ist das Kapitel »Ein Verräter ohnegleichen« gewidmet. Es entlarvt, wie Gorbatschow die DDR an die BRD regelrecht verkaufte und seine einstigen Kampfgefährten skrupellos der Siegerjustiz auslieferte. Immerhin hatte Kohl Gorbatschow vorgeschlagen, einen Kreis von Personen der DDR zu benennen, die nicht strafrechtlich verfolgt werden sollten, worauf dieser antwortete, »die Deutschen würde schon selbst mit diesem Problem fertig« werden. Selbst Kohl und der anwesende Genscher hätten betreten geblickt (nachzulesen in Alexander von Platow: Die Vereinigung Deutschlands – ein weltpolitisches Machtspiel. Bush, Kohl, Gorbatschow und die geheimen Moskauer Protokolle. Bonn 2002).
    Zu Wagenknechts Absicht, eine neue Partei zu gründen, wäre vielleicht angebracht, Marx’ Kritik am Gothaer Programm, eingeschlossen Engels Vorwort vom 6. Januar 1891 (MEW, Bd. 19, S. 15 bis 32) nachzulesen und die Tatsache zu beachten, dass Marx und Engels eben nicht die Aufgabe stellten, die in Gotha entstandene Partei aufzugeben und eine neue, von revisionistischen Einflüssen freie revolutionäre Arbeiterpartei zu schaffen, sondern sie darum kämpften, »die richtige politische Linie in der deutschen sozialdemokratischen Partei« durchzusetzen. (Ebd., S. XI). Natürlich steht dem entgegen, dass diese Einschätzung heute nur auf die KPF in der Partei zutrifft.
  • Leserbrief von René Osselmann aus Magdeburg (19. Juni 2023 um 11:13 Uhr)
    Immer wieder höre ich in der letzten Zeit, dass Genossin Sahra Wagenknecht eine eigene Partei gründen wolle, was ja so im Grunde nicht ganz stimmt. Zwar gibt es dazu wohl durchaus eventuell Überlegungen, aber mehr diesbezüglich nicht und ganz Unschuldig sind daran diverse Vorstände, bis hin zum Bundesvorstand der Linken mit Sicherheit nicht! Diese Vorstände und auch der Bundesvorstand sollten sich doch selbst hinterfragen, warum sie ihren Laden nicht zusammenhalten können und warum die Wähler weglaufen. … Oft wird ja auch davon geredet, dass eine konkurrierende Partei gegründet werden soll, aber Konkurrenz belebt doch eigentlich das Geschäft, man muss nur ein besseres Programm haben. Achso ich arbeite im Einzelhandel und da sind zum Beispiel Geschäfte nicht als Konkurrenz anzusehen, wenn sie nicht dasselbe Sortiment haben und wenn jemand sein Sortiment teilweise wechselt und ein anderes Geschäft, dann das alte und beliebte Sortiment übernimmt und die Kunden dahin gehen, dann hat man da wohl selbst was falsch gemacht! Und so verhält es sich dann wohl auch in der Politik. … Eventuell sollte man doch auch in der Politik seinen Laden zusammenhalten und auch jeden Sortimentwechsel (Parteiprogramm) überlegen, dass könnte schnell zum Eigentor werden!
  • Leserbrief von Bernd Jacoby aus Wiesbaden (19. Juni 2023 um 10:51 Uhr)
    Also, Gysis Verdienste und Wirkungen als linker bürgerlicher Demokrat unbenommen und gewürdigt, kann ich mir die spöttische Bemerkung nicht verkneifen, dass es in der Abstammungslinie »seiner« Partei(en), denn Gysi wird in der Berliner Zeitung zitiert mit »meine damalige Partei – 1990«, wie in der Geschichte von Parteien überhaupt, Wortführer, Anführer, Okkupanten gibt, die ganze Parteien »klauen«. Das ist allerdings zwingend um die weitere spöttische Bermerkung zu ergänzen, dass es bei einem solchen Klau immer zwei Seiten gibt, nämlich die, die klaut und die, die beklaut wird und sich beklauen lässt. In dem mir vorschwebenden historischen Beispiel unter Beteiligung Gysis ist auch nach über drei Jahrzehnten weder die Forensik noch die Trauerarbeit zu einem politisch wirksamen Ergebnis gelangt, was wiederum ein Versagen der Beklauten ist. Genosse Gysi wird aber doch wohl nicht »Haltet die Diebin!« rufen wollen? Der letzte Satz im Artikel der Berliner Zeitung ist, wenn er so gesagt wurde, ihm politisch wirklich übelzunehmen: »Er aber werde weiter leidenschaftlich gegen diese Versuche kämpfen – auch dagegen, ›dass ehemalige Linke so einer halb-linken, halb-rechten Partei versuchen, uns auszuschalten‹.«
  • Leserbrief von Joán Ujházy (16. Juni 2023 um 20:50 Uhr)
    Mandatsklau, Herr Gysi? Sie sind Rechtsanwalt, schon lange nicht mehr ein Linksanwalt. Es sei daran erinnert, dass Sie einen Parteitagsbeschluss, der festlegte, dass Sahra Wagenknecht gleichberechtigte Fraktionsvorsitzende sein soll, sabotierten. Ein klarer Rechtsbruch. Es ist nicht Ihre Körper»größe«, die Sie zu einem politischen Gartenzwerg hat verkommen lassen, es ist Ihr atlantischer, anti-antiimperialistischer Kleingeist. Assange hatte einst Gespräche veröffentlicht, die Sie mit dem US-Botschafter in Berlin führten und Sie diesem US-Vertreter zusagten, dass die Linke niemals eine Politik unterstützen würde, wonach die BRD, sollte die Linke Mitglied einer Regierung werden, aus der NATO austreten würde. Hat Ihnen dafür der US-Botschafter mehr versprochen als nur 30 Silberlinge?