Komm in den totgesagten Park
Von Frank SchäferIm königlichen Palast an der Noordeinde brennt kein Licht. Die Royals weilen also in einem anderen Lustschloss, machen vielleicht sogar Kurlaub in den alten Kolonien Aruba, Curaçao oder Saba. Ist mir ganz recht. So kann man den kleinen Park hinter dem Palast ganz ohne Zugangsbeschränkungen besuchen, nur nachts nicht, es gibt da zu viele dunkle Ecken, wo sich Süchtlinge die wirklich verbotenen Sachen zuführen könnten.
Am frühen Nachmittag kommen Rentner hierher, um Tauben zu füttern, Studentinnen lesen gute Literatur, zum Beispiel Harry Mulisch oder Hella Haasse, und Touristen, die ihr 10.000-Schritte-Tagespensum hinter sich haben, schnaufen und verschnaufen auf den weißen Bänken. Der Park ist nicht besonders gepflegt, meint meine Begleiterin, die das gute Kraut von Unkraut unterscheiden kann. Aber interessanter sind ohnehin die Menschen.
Der spindeldürre, irgendwie geschlechtslose Mensch in orangem Turndress zum Beispiel, der hier sein Tänzchen aufführt. Er klatscht in die Hände, dreht sich um die eigene Achse, macht einen Ausfallschritt, dann eine erneute Drehung, gefolgt von einem spiegelverkehrten Sidestep, um schließlich in eine eher angedeutete Liegestütze zu gehen. Und danach noch mal von vorn. Und noch mal. Und noch mal. All das wirkt in seiner Ritualisiertheit seltsam manisch, als hätte er tausend Rosenkränze in Turnübungen überführt. Wer so ausdauernd um Abbitte fleht, muss große Sünden begangen oder einfach nur einen ziemlichen Hau haben.
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