75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 29. / 30. Juni 2024, Nr. 149
Die junge Welt wird von 2819 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 03.06.2024, Seite 5 / Inland
MSC-Tochter kündigt Betriebsrat

Unionbusting bei MSC

Hamburg: Reedereitochter Medrepair kündigt Betriebsratsvorsitzendem.
Von Burkhard Ilschner
5.jpg
Sie wissen, was auf sie zukommt: Protest gegen den Verkauf des Hamburger Hafens an MSC (21.2.2024)

Seit neun Monaten wird in Hamburg um den geplanten Einstieg der Schweizer Großreederei MSC beim noch überwiegend staatseigenen Hafenlogistikkonzern HHLA gestritten – ein Geschäft, dem ein aktueller Zeit-Podcast gerade »maximale Intransparenz« bescheinigt. Diesen Montag erlebt dieser Streit einen weiteren Höhepunkt – bei einer Kundgebung in Hamburg-Barmbek.

Vor dem dortigen Arbeitsgericht der Hansestadt soll laut Gewerkschaft Verdi ab 10.30 Uhr gegen die jüngst verkündete fristlose Kündigung eines engagierten Gewerkschafters bei der Firma Medrepair protestiert werden. Diese ist eine hundertprozentige Tochter jener Großreederei, »die sich gerade im Verbund mit dem Hamburger Senat anschickt, den Hamburger Hafen zu schlucken«, so Verdi in einem aktuellen Flugblatt. Medrepair repariert beschädigte Container, das internationale Unternehmen beschäftigt an seinen deutschen Standorten Hamburg und Bremerhaven mehr als 50 Leute. Bei dem gekündigten Kollegen handelt es sich um den Betriebsratsvorsitzenden Slawa Fur, der sich, wie Verdi schreibt, in seiner Tätigkeit immer »konsequent für die Kollegen im Betrieb eingesetzt« habe – wofür er jetzt von der Geschäftsführung »die Quittung bekommen« habe.

Verdi verlangt vor dem Arbeitsgericht »die Rücknahme der Kündigung und die unbefristete, bedingungslose Wiedereinstellung unseres Kollegen« – samt Wiederaufnahme seiner Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender. André Kretschmar, Landesbezirksleiter des für maritime Wirtschaft zuständigen Fachbereichs bei Verdi, zieht eine direkte Verbindungslinie zum aktuellen Streit um den MSC-Einstieg bei der HHLA: »Dass hier eine MSC-Tochter so gegen engagierte Betriebsräte vorgeht, sollte zu denken geben.« Die Befürchtungen scheinen sich »zu bestätigen, dass MSC spätestens nach fünf Jahren die Arbeitnehmerrechte weitgehend zurückschrauben will«. Die »maximal intransparenten« Details des Deals zwischen MSC und dem Senat hatten am 28. Mai in einer Sitzung zweier Ausschüsse zu heftiger Kritik nicht nur der Opposition, sondern auch einiger weniger SPD-Mitglieder geführt. Letztlich stimmten beide Ausschüsse aber zu.

Juristisch unterstützen lasse sich Medrepair im aktuellen Verfahren, so Verdi, »von dem bundesweit bekannten Arbeitgeberrechtsanwalt Helmut Naujoks, der Kanzleien in Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt unterhält«. Er gebe regelmäßig Seminare, in denen er Kapitalvertretern »Wege aufzeigt, wie mit Betriebsräten mit juristischen (und nichtjuristischen) Mitteln umgegangen werden kann«. Damit habe sich »die MSC-Tochter Medrepair einen Union-Busting-Anwalt ausgesucht, der bundesweit für sein gezieltes Vorgehen gegen Betriebsräte im Auftrag seiner Mandanten unterwegs ist«. Nach Angaben des linken Netzwerks Labournet soll Naujoks’ Kanzlei bereits an ähnlichen Fällen etwa bei den Marseille-Kliniken, dem Fraport-Dienstleister I-Sec oder bei Burger King beteiligt gewesen sein – allerdings nicht immer erfolgreich im Sinne seiner jeweiligen Auftraggeber.

Der Hamburger Verdi-Gewerkschaftssekretär Lars Stubbe sieht in dem Medrepair-Fall »eine Zuspitzung betrieblicher Auseinandersetzungen, die unter einem juristischen Deckmäntelchen geführt werden«. Einfachen Beschäftigten sollen die demokratischen Rechte genommen werden, die sie im Betrieb haben. »Dies ist himmelschreiendes Unrecht.«

Großes Kino für kleines Geld!

75 Augaben für 75 €

Leider lässt die Politik das große Kino vermissen. Anders die junge Welt! Wir liefern werktäglich aktuelle Berichterstattung und dazu tiefgründige Analysen und Hintergrundberichte. Und das zum kleinen Preis: 75 Ausgaben der gedruckten Tageszeitung junge Welt erhalten Sie mit unserem Aktionsabo für nur 75 €!

Nach ablauf endet das Abo automatisch, Sie müssen es also nicht abbestellen!

  • Leserbrief von Stefan Bell aus Mülheim an der Ruhr (4. Juni 2024 um 12:44 Uhr)
    Mitglieder des Betriebsrates (natürlich einschließlich des Betriebsratsvorsitzenden) können gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG nur mit Zustimmung des Betriebsrates (also mit der erforderlichen Stimmenmehrheit) gekündigt werden. Fehlt es an dieser Zustimmung, ist die Kündigung bereits deshalb formal unwirksam. Hat allerdings der BR seine Zustimmung erteilt, so stellt sich juristisch die Frage nach dem Kündigungsgrund und politisch nach der Motivation des Gremiums, seine Zustimmung zu erteilen. Dazu ist leider in dem Beitrag nichts zu lesen.

Ähnliche:

  • Für die Beschäftigten des Logistikzentrums Winsen war es bereits...
    20.07.2023

    International gegen Amazon

    Streiks zum »Prime Day« des Onlineriesen. Die Beschäftigten sind nach zehn Jahren Arbeitskampf mittlerweile über Staatsgrenzen vernetzt
  • »Der Tag der Revolution ist gekommen. (…) In dieser Stunde prokl...
    16.07.2018

    Die unvollendete Revolution

    Im November jährt sich zum 100. Mal die Erhebung, die das Deutsche Kaiserreich zum Einsturz brachte. Eine Erklärung zum 9. November 1918

Regio: