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Aus: Ausgabe vom 12.06.2024, Seite 12 / Thema
EU und Aufrüstung

Endlich Militärmacht werden

»Friedensprojekt« EU. Ein Staatenbündnis macht sich kriegstüchtig
Von Norbert Wohlfahrt
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Die neue EU-Kommissionspräsidentin ist vermutlich die alte, und mit ihr bleibt der Kurs auf Militarisierung und Krieg (Ursula von der Leyen, damals noch Bundesverteidigungsministerin, beim NATO-Manöver »Trident Juncture« Ende Oktober 2018 in Norwegen)

Im Dezember 2012 erhielt die Europäische Union den Friedensnobelpreis. In der Begründung des Nobelkomitees hieß es: »Die EU und ihre Vorgänger haben über mehr als sechs Jahrzehnte zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa beigetragen.« Der damalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) bezeichnete die Europäische Union als »Magnet für Stabilität, Wohlstand und Demokratie«, der »den Kontinent mit friedlichen Mitteln vereint und Erzfeinde zusammengeführt« habe. Als besonderes Verdienst der europäischen Einigung wurde beschrieben, dass sie Deutschland harmlos gemacht und die friedliche Kooperation von Deutschland und Frankreich fest verankert habe.

Der »Friedensmacht Europa«, die schon längst dazu übergegangen war, ihre ökonomisch begründete Gemeinschaft als geostrategisches Projekt zu entwickeln, wurde ein Preis verliehen, der für die kapitalistischen Demokratien, die da belobigt wurden, zugleich eine Herausforderung darstellte. Denn ihre Fähigkeit, als imperialistische Ordnungsmacht zu agieren, war mit dem Mangel behaftet, ganz ohne eine durch eigene Souveränität verfügte und einsatzfähige Waffengewalt die ökonomische und politische Stabilisierung ihrer Nachbarländer voranzutreiben. EU-»Friedenspolitik«, eingebettet in die als NATO-Partner durch die »Pax Americana« verbürgte politische und militärische Gewalt des Westens, war eine wichtige Säule der ökonomischen und politischen Einflussnahme auf die Länder, die mit den Segnungen eines freien Kapitalverkehrs und dazugehöriger demokratischer Regierungsformen erst noch vertraut gemacht werden sollten. Für diesen Imperialismus, dem sein militärisches Manko im Jugoslawien-Krieg praktisch vor Augen geführt worden war, ist die Frage einer strategischen Autonomie immer drängender geworden. Und mit wachsender Bedeutung der EU bei der ökonomischen und politischen Stabilisierung von Nachbarstaaten und ehemaligen Kolonien¹ ist die Frage zukünftiger autonomer militärischer Handlungsfähigkeit immer stärker in den Mittelpunkt gerückt.²

Imperialistischer Anspruch

Dass das »Friedensprojekt« EU sich als Militärmacht beweisen muss, ist spätestens mit der Präsidentschaft von Ursula von der Leyen (CDU) dann auch zum zentralen Auftrag erhoben worden. Die Ankündigung der EU-Kommissionspräsidentin, dass ihr Team eine geopolitische Kommission mit einer starken strategischen Ausrichtung in der Außenpolitik sein werde, formulierte den Anspruch der EU, ihre politische und ökonomische Macht um den entsprechenden sicherheitspolitischen Baustein zu ergänzen:

– In den »Mission Letters«, in denen von der Leyen die Aufgaben der Kommissare beschreibt, wird der Schaffung einer Europäischen Verteidigungsunion (EVU) eine hohe Priorität eingeräumt; die Rolle der EU als zivile Friedensstifterin findet jedoch keine Erwähnung.

– Mit der Europäischen Friedensfazilität (EPF) werden Maßnahmen in militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen im außenpolitischen Bereich finanziert. Sie ermöglicht der EU, Partnerländer bei militärischen Einsätzen zur »Friedenssicherung« zu unterstützen. Die EPF wurde nach der russischen Invasion in der Ukraine zum ersten Mal für die Lieferung von Waffen an ein Drittland genutzt.

– Die Vorschläge der Kommission den EU-Haushalt sahen die Aufnahme eines 2,3-Milliarden-Euro-Instruments für Sicherheit und Frieden in das neue Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit der EU vor.

Den imperialistischen Anspruch einer globalen sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der EU wurde von der Präsidentin unverblümt formuliert: »Dieses Team wird den europäischen Weg gestalten: Wir werden mutige Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen, unsere Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten ausbauen, unsere Beziehungen zu einem selbstbewussteren China definieren und ein verlässlicher Nachbar sein, zum Beispiel für Afrika (…). Meine Kommission wird eine geopolitische Kommission sein, die sich für eine nachhaltige Politik einsetzt. Und ich möchte, dass die Europäische Union die Hüterin des Multilateralismus ist.«³

Die Maßnahmen, die zur Erreichung dieser Zielsetzung ergriffen wurden, sind vielfältig und enthalten neben der Aufstellung einer autonomen Interventionsgruppe in Brigadegröße konkrete Rüstungsprojekte und den Aufbau eines EU-Rüstungskomplexes.⁴

Die Stärkung der Rolle der EU als global agierende »Friedensmacht« rückt die Sicherheitspolitik in verschiedenen Dimensionen in den Mittelpunkt der geopolitischen Strategie der Kommission: »Das Phänomen der Versicherheitlichung – welches bedeutet, dass einerseits politische Fragen, die keinen vordergründigen Sicherheitsbezug haben, als Sicherheitsfragen behandelt und andererseits Mittel für die Abwehr wahrgenommener Bedrohungen eingesetzt werden, die eigentlich nicht für sicherheitspolitische Zwecke vorgesehen sind – gewinnt in den Außenbeziehungen der EU seit einigen Jahren an Bedeutung. Besonders deutlich wird dies auf dem Gebiet der Migrationspolitik. Narrative, die Migranten und Geflüchtete als Bedrohung für die Sicherheit, den Wohlstand und die Kultur Europas porträtieren, halten sich hartnäckig. Entwicklungshilfegelder werden zur Finanzierung von Initiativen zur Migrationssteuerung eingesetzt, in denen der Zugang zu EU-Mitteln von Grenzkontrollen und der Rücknahme von Flüchtlingen abhängig gemacht wird.«⁵

Strategische Autonomie

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die Pax Americana vor allem dadurch ausgezeichnet, die Position der USA und deren Verbündeten in östlicher Richtung auszubauen. Das, was in Washington die »von Amerika geführte Ordnung« heißt, wurde in Westeuropa als die »internationale«, »multilaterale« oder »regelbasierte« Ordnung bezeichnet, in deren Rahmen die NATO als weltweit agierendes Militärbündnis ihre Osterweiterung vorantrieb und die US-Amerikaner im Nahen Osten und anderswo ihre Kriege führten. Mit der von der Regierung Obama eingeleiteten und von der Trump-Administration verschärften Konfrontation mit der Volksrepublik China wurde die Forderung nach einer machtvolleren und militärisch unterfütterten strategischen Autonomie der EU als Antwort auf die veränderte Pax Americana von den Führungsmächten der EU verschärft.⁶ In einer Rede an der Universität Sorbonne im September 2017 formulierte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron seine »Initiative für Europa«: »Auf dem Gebiet der Verteidigung muss unser Ziel darin bestehen, dass Europa, ergänzend zur NATO, selbständig handlungsfähig ist. Der Grundstein für diese Autonomie wurde gelegt, und in den vergangenen Monaten sind hierbei Fortschritte von historischem Ausmaß erzielt worden. Im Juni haben wir die Grundlagen für dieses Europa der Verteidigung geschaffen: eine dauerhafte strukturierte Zusammenarbeit, durch die wir uns stärker engagieren, gemeinsam voranschreiten und uns besser koordinieren können; aber auch einen Europäischen Verteidigungsfonds, um unsere Verteidigungsfähigkeiten und unsere Verteidigungsforschung zu finanzieren. Im Zuge des Austausches mit denjenigen Mitgliedstaaten, die in diese Richtung vorankommen möchten, füllen wir diesen unverzichtbaren Grundstein nun mit Inhalten. Doch wir müssen noch weiter gehen. Woran es Europa, diesem Europa der Verteidigung, heute am meisten fehlt, ist eine gemeinsame strategische Kultur.«

Macrons Drängen auf den Ausbau der militärischen Fähigkeiten der EU verbunden mit der Schaffung einer eigenen Interventionsarmee wurde in Deutschland als Formulierung eines französischen Führungsanspruchs innerhalb der EU aufgefasst, der das deutsche Geschäftsmodell von Exportnation, weltweitem Rüstungslieferanten und einer durch die NATO getragenen »Krisenprävention« angreift.⁷ Gleichwohl machte die Sache ihre Fortschritte. Auf der Münchener »Sicherheitskonferenz« 2019 sprachen die Verteidigungsministerinnen von Deutschland und Frankreich, Ursula von der Leyen und Florence Parly, davon, der EU zu »mehr Eigenständigkeit und Eigenverantwortung« zu verhelfen mit Hilfe einer »Armee der Europäer«. Es sollte ein »gemeinsames Verständnis von Krisen« entwickelt werden und eine »gemeinsame Einschätzung der Notwendigkeit zu handeln« die zukünftige Agenda bestimmen.

Der grundsätzliche Widerspruch der EU, ihr Bündnis im Gegeneinander konkurrierender souveräner Nationen voranzutreiben, macht sich auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik geltend, und die deutschen »Transatlantiker« gelten in Frankreich als Zauderer und Zögerer mit Blick auf die sicherheitspolitische »strategische Autonomie«.⁸

Mit der Ampelregierung und ihrem Motto »Mehr Fortschritt wagen« wurde die deutsche Führungsrolle in Europa bekräftigt und das Ziel der strategischen Souveränität der EU zu einem ureigenen deutschen Projekt erklärt. Mehrfach wird im Koalitionsvertrag Deutschlands globale Verantwortung und insbesondere Deutschlands besondere Verantwortung für die EU betont. In diesem Sinne will die Regierung den europäischen Pfeiler der NATO stärken. Die Bundesregierung setzt sich das Ziel, die strategische Souveränität der Union zu erhöhen und eine souveräne EU als »starken Akteur« in einer »von Unsicherheit und Systemkonkurrenz geprägten Welt« anzustreben. Gleichzeitig wurde entgegen Frankreichs Vorstellungen als Ziel ausgegeben, die EU zu einem föderalen europäischen Bundesstaat weiterentwickeln und das EU-Parlament stärken. Der Kampf darum, wer bei der imperialistischen Weiterentwicklung der EU die Führungsrolle einnimmt, geht damit in eine neue Runde.⁹

Im Kampf gegen Russland

Den Einmarsch Russlands in die Ukraine nahm die Biden-Regierung zum Anlass, die US-amerikanische Sicherheit, die sich weltweit definiert, bedroht zu sehen und einen Stellvertreterkrieg zu befeuern, der der bereits für tot erklärten NATO (Macron) neues Leben einhauchte. Sie wurde zum Motor der »Wahrung der ukrainischen territorialen Integrität«, und dies forderte die europäischen Politiker heraus. Die Frage, welche Rolle die EU als eigenständiges imperiales Subjekt in diesem Krieg einnehmen kann, dominiert seitdem die europäische Debatte. Die forcierte Herstellung der Kriegstüchtigkeit der EU rückt in den Mittelpunkt politischer Anstrengungen. Die »Friedensmacht« ergreift die Gelegenheit, den Kampf mit dem »russischen Imperialismus« aufzunehmen, sieht sich höchstselbst angegriffen und damit in ihrer Verteidigungsfähigkeit und sicherheitspolitischen Architektur herausgefordert. Entsprechend gestaltet sich die »Friedenspolitik«:

– Seit 2022 – also dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine – wurden die nationalen Verteidigungshaushalte um 20 Prozent erhöht.

– Im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität (EPF) stellt die EU 6,1 Milliarden Euro bereit, um die ukrainischen Streitkräfte mit Waffen und Munition sowie mit nicht letaler militärischer Ausrüstung zu unterstützen. Im Juni 2023 wurde das Budget der EPF auf rund zwölf Milliarden Euro angehoben.

– Aus dem EU-Haushalt sollen 1,5 Milliarden Euro zur Stärkung des Europäischen Verteidigungsfonds, der in hochentwickelte militärische Fähigkeiten in kritischen Bereichen, wie See-, Boden- und Luftkampf, weltraumgestützte Frühwarnsysteme und elektronische Kriegführung investiert, bereitgestellt werden.

– Durch die Schaffung eines Instruments »zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung« soll die Konzentration des Rüstungssektors vorangetrieben werden. Das Instrument wird mit Mitteln in Höhe von 300 Millionen Euro ausgestattet.

Bei all dem betont die Kommissionspräsidentin immer wieder, dass die EU hier als eigenständiges souveränes Subjekt handelt.¹⁰

Während die EU-Mitgliedstaaten mit immer neuen Ideen darum konkurrieren, wer mit welchen Mitteln dem Feind zu Leibe rückt und damit seine Nation sicherheitspolitisch aufwertet (Polen sieht in der Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen eine »Erhöhung seiner Sicherheit«; Macron bringt den Einsatz von Bodentruppen ins Spiel; Deutschland bekräftigt seine Rolle als nach den USA dominierende Macht der Ukraine-Unterstützung usw.), macht die EU den Krieg zum Mittel, ihre Kriegstüchtigkeit als global handlungsfähige Militärmacht zum Maßstab der gesamten EU-Politik zu machen:

– Der belgische EU-Ratspräsident Charles Michel formuliert einen Meinungsbeitrag, wonach sich die EU »auf Krieg vorbereiten« müsse: »Russland stellt eine ernsthafte militärische Bedrohung für unseren europäischen Kontinent und die globale Sicherheit dar. Wenn wir nicht die richtige Reaktion der EU finden und der Ukraine nicht genügend Unterstützung leisten, um Russland zu stoppen, werden wir die nächsten sein. Wir müssen daher verteidigungsbereit sein und zu einer Kriegswirtschaft übergehen. Es ist an der Zeit, die Verantwortung für unsere eigene Sicherheit zu übernehmen. Wir können nicht länger auf andere zählen oder den Wahlzyklen in den USA oder anderswo ausgeliefert sein.«¹¹

– Der EU-Kommissar Thierry Breton fordert, die EU müsse zum Modus der Kriegswirtschaft übergehen¹², und bemüht sich um eine rasche Steigerung der Bestellung und Produktion von Munition und Waffen durch EU-Regierungen, um einerseits die Ukraine zu beliefern und andererseits eigene Reserven aufzufüllen. Darüber, ob mit Kriegswirtschaft auch die Rationierung von Lebensmitteln und die staatliche Lenkung der Wirtschaft gemeint ist, wird seit längerem eine muntere Debatte geführt.

- Der Chef des European Council on Foreign Relations, Mark Leonard, fordert, die Union müsse von einem Friedens- zu einem »Kriegsprojekt« werden.¹³ Aus seiner Sicht ist das europäische Ordnungsgefüge mit seinen Institutionen bereits zerstört, und die EU müsse zur Kenntnis nehmen, dass die zukünftige sicherheitspolitische Ordnung anderen Regionen wie Asien gleichen werde.

Supranation und Nationalismus

Die Schaffung eines EU-Binnenmarkts, einer einheitlichen Währung und die kontinuierliche Osterweiterung vollzogen sich lange Jahre nicht nur in Konkurrenz zu den USA, sondern auch als fortwährender Streit darum, was dies für die eigene Nation bedeutet und ob sich das europäische Projekt aus nationaler Sicht überhaupt lohnt. Dabei stellte sich im Resultat heraus, dass sich die Unterschiede in der Wirtschaftsmacht der europäischen Staaten durch ihre Mitgliedschaft in der EU nicht abgemildert, sondern enorm verstärkt haben. Über die Vor- und Nachteile der EU wurde und wird deshalb heftig diskutiert, und nicht nur die Rechtspopulisten in Europa fordern, die Macht der EU zu begrenzen. Die Annahme, dass der europäische Einigungsprozess den Nationalismus einhegen und supranationale Gemeinsamkeit stiften würde, hat sich schon in der Vergangenheit als idealistisch erwiesen. Die Entwicklung der Kriegstüchtigkeit der EU trifft auf einen forcierten Nationalismus in den Mitgliedstaaten, die den Krieg für ihr nationales Fortkommen und die Steigerung ihrer nationalen Einflussmöglichkeiten nutzen wollen.¹⁴

Die EU definiert sich zwar weiterhin als Friedensmacht, je mehr sie aber als Kriegsbündnis Gestalt annimmt, desto stärker formuliert sie den Anspruch, die Gewalt dieses Bündnisses für die Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber anderen Ländern und Souveränen in Zukunft auch militärisch geltend zu machen. Damit stellt sich die EU vom Prinzip her nicht nur dem Patronat der USA entgegen, von dem es doch gleichzeitig (immer noch) abhängt, sondern drängt auch den beteiligten Nationen die Frage auf, was denn ihre europäischen Interessen sind, die da militärisch zur Geltung gebracht werden sollen. Die militärische Aufrüstung der EU wird deshalb von keinem Mitgliedstaat als Ersatz für die Kriegstüchtigkeit der eigenen Nation angesehen, im Gegenteil. Während die EU-Politiker ihre militärischen Strategien nutzen, um die gemeinschaftliche Kriegsfähigkeit der EU zu stärken, zwingen sie die beteiligten Nationen zu der Überlegung, welche Rolle sie hierbei mit ihrer Nation spielen können und wollen.¹⁵

So heizt der supranationale Militarismus der EU den nationalen Patriotismus an und damit auch die Konkurrenz der Nationen, die da miteinander kämpfen wollen. In einem sind sich die beteiligten Politikerinnen und Politiker allerdings einig: Die Alternative Krieg oder Frieden stellt sich nicht.

Anmerkungen

1 »Stabex« und »Minex« waren die Kernstücke der Abkommen von Lomé zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den AKP-Staaten (Organisation Afrikanischer, Karibischer und Pazifischer Staaten), die den Preis landwirtschaftlicher und mineralischer Rohstoffe aus den Vertragsstaaten Afrikas regulierten, indem sie diese Länder gleichzeitig auf die Produktion dieser »begünstigten« Produkte festlegten.

2 Strategische Autonomie wird »als die Fähigkeit definiert, eigene außen- und sicherheitspolitische Prioritäten zu setzen und Entscheidungen zu treffen, sowie die institutionellen, politischen und materiellen Voraussetzungen, um diese in Kooperation mit Dritten oder, falls nötig, eigenständig umzusetzen«. Barbara Lippert, Nicolai von Ondarza, Volker Perthes (Hg.): Strategische Autonomie Europas: Akteure, Handlungsfelder, Zielkonflikte, Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Studie, Februar 2019, S. 5

3 The von der Leyen Commission. For a Union that strives for more, Brüssel 2019

4 Vgl. Jürgen Wagner: Die Militarisierung der EU. Zwischen Vasallentum und autonomer Großmacht. In: Thomas Sablowski, Peter Wahl, Peter (Hg.): Europäische Integration in der multiplen Krise. Zukunftsaussichten der Europäischen Union. Hamburg 2024, S. 47–59.

5 Mark Furness, Julian Bergmann: Wie die Europäische Union ihre Rolle als Friedensmacht stärken kann, German Institute of Development and Sustainability (IDOS), 2019

6 Im Mai 2017 erklärte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel: »Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.«

7 Vgl. Detlef Puhl: Strategische Autonomie für Europa: Kommen Berlin und Paris zusammen? Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Arbeitspapier Sicherheitspolitik, Nr. 8/2018

8 »Zwar wurde an Merkels Politikstil sehr wohl die Fähigkeit zur Kompromissfindung geschätzt, doch hat dies aus französischer Sicht nicht dazu geführt, Deutschland und die Europäische Union besser aufzustellen, besonders für jene Herausforderungen, vor denen der Kontinent offensichtlich steht. Im Gegenteil, die letzten Jahre der Merkel-Ära werden als ›verlorenes Jahrzehnt‹ für Europa angesehen.« Thomas Manz: Eine späte Antwort auf Macrons Sorbonne-Rede. In: Frankfurter Hefte (2022), Nr. 1/2

9 Der deutsch-französischen Freundschaft tut das alles keinen Abbruch: Beim Staatsbesuch Macrons Ende Mai dieses Jahres diskutierten die beiden Staatsführer darüber, ob man – soviel zur ukrainischen Souveränität – es Selenskij »erlauben« solle, mit westlichen Waffen Ziele in Russland anzugreifen. Während Macron gleich den Marschbefehl erteilen möchte, hält der deutsche Bundeskanzler alles, was die Ukraine tut, für völkerrechtlich gedeckt. Zwei Meinungen, ein kriegstüchtiges Anliegen.

10 »Doch im Kern geht es bei der europäischen Souveränität darum, dass wir selbst Verantwortung dafür übernehmen, was wichtig, ja sogar überlebenswichtig für uns ist. Genau darauf haben sich die Staats- und Regierungschefs unmittelbar nach Kriegsausbruch in der Agenda von Versailles und später in der Erklärung von Granada verständigt.« Ursula von der Leyen: Grundsatzrede von Präsidentin von der Leyen auf dem Europäischen Gipfel zur Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, Brüssel 2024

11 Europäischer Rat, Pressemitteilung, 19.3.2024

12 »Es besteht daher die Notwendigkeit – und das sage ich klar und deutlich – die Produktionsbasis hochzufahren und sie auf eine ›Kriegswirtschaft‹ umzustellen, wenn Sie mir gestatten, das so zu formulieren.« Vgl. www.dw.com/de/muss-europa-auf-kriegswirtschaft-umstellen/a-65807395, 3.6.2023

13 »Das Friedensprojekt ist einem Kriegsprojekt gewichen, und dieser grundlegende Wandel zwingt die europäischen Regierungen dazu, einige ihrer ältesten Grundsätze zu überdenken.« Mark Leonhard: The european war project, in: Project Syndicate, 30.6.2022

14 Das »Gemeinsame Europäische Migrationsabkommen« zeigt dabei, dass der Patriotismus der Nationalstaaten für die Abwehr von Migration Europa als Mittel nutzt und zugleich die Unzufriedenheit mit dem nationalen Ertrag fortbesteht.

15 Der Vorteil einer Atommacht liegt hier auf der Hand. Aber wer entscheidet letztlich über deren Einsatz? Über Szenarien kollektiver Verfügung über das französische Atomwaffenarsenal wird bereits lebhaft diskutiert.

Norbert Wohlfahrt schrieb an dieser Stelle zuletzt am 3. April 2024 über die Kritik an den Friedensforderungen des Papstes.

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