Verfassungsschutz als Türsteher
Von Kristian StemmlerDer Verfassungsschutz könnte seinen Zuständigkeitsbereich in Zukunft auch auf das Reichstagsgebäude ausweiten. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) will offenbar künftig den Inlandsgeheimdienst zu Rate ziehen, um mutmaßlichen Verfassungsfeinden die Ausstellung eines Hausausweises und damit den Zutritt zum Parlament zu verweigern. Ein Rechtsgutachten, das im Auftrag der Bundestagsverwaltung erstellt und am Montag an die Sicherheitsbeauftragten der Fraktionen verschickt wurde, empfiehlt eine entsprechende Verschärfung der Hausordnung.
Einen Hausausweis braucht, wer den Bundestag betreten will, ob es sich um Beschäftigte des Parlaments, Mitarbeiter von Abgeordneten, Journalisten oder Gäste handelt. Bisher erfolgt regelmäßig eine »Zuverlässigkeitsüberprüfung« bei der Polizei, bei der strafrechtlich relevante Informationen abgefragt werden. Im Gutachten des Bonner Rechtswissenschaftlers Klaus Gärditz, aus dem die dpa zitierte, heißt es nun, bei dieser Überprüfung werde aber die mögliche »extremistische Betätigung« eines Antragstellers nicht in allen Fällen erfasst. Gärditz schlägt daher vor, bei begründetem Verdacht eine Anfrage beim Inlandsgeheimdienst zu stellen. Bestätigt sich der Verdacht, könne der Zugang zum Bundestag verweigert werden, die Verweigerung eines Hausausweises in solchen Fällen solle in der Hausordnung verankert werden. Eine entsprechende Regelung in einem neu zu schaffenden Bundespolizeigesetz sei ebenfalls zu begrüßen.
Ein Auslöser für die Erstellung des Gutachtens waren im Frühjahr veröffentlichte Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR). Demnach beschäftigen die AfD-Fraktion und ihre Abgeordneten mehr als 100 Mitarbeiter, die in vom Verfassungsschutz als »rechtsextrem« eingestuften Organisationen aktiv sind. Wohl vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag von Gärditz zu sehen, die polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfung auf Mitarbeiter von Abgeordneten in deren Wahlkreisbüros auszudehnen. Diese benötigen zwar keinen regelmäßigen Zugang zu Gebäuden des Bundestages und daher auch keinen Hausausweis, haben aber Zugriff auf das IT-System des Parlaments. Dieser soll künftig verweigert werden können, »wenn sich Mitarbeitende als verfassungsfeindlich und damit als unzuverlässig erweisen«.
Auch eine weitere Sanktion hält das Rechtsgutachten für umsetzbar: Wer keinen Zugang mehr zum Bundestag respektive zu seinem IT-System habe, könne einem Abgeordneten nicht mehr von Nutzen sein. Daher solle es in solchen Fälle keine Erstattung der Kosten des entsprechenden Mitarbeiters mehr geben. Gärditz schlägt zudem vor, in die Hausordnung des Parlaments eine Klarstellung aufzunehmen, dass allen Mitgliedern und Fraktionen die Nutzung der Räumlichkeiten nur »im Einklang mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung« gestattet sei. Damit hätte Bas einen Hebel in der Hand, um »verfassungsfeindliche« Veranstaltungen zu verhindern.
Schließlich sollten laut Gutachten auch Abgeordnete, »die eine Tätigkeit in sicherheitsempfindlichen Gremien oder Ausschüssen durchführen wollen«, einer vorherigen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Dies beträfe Abgeordnete, die an geheimen Sitzungen des parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Arbeit der Geheimdienste überprüfen soll, des Auswärtigen oder des Verteidigungsausschusses teilnehmen. Bisher werden nur deren für das entsprechende Fachgebiet zuständige Mitarbeiter überprüft. Hinweise darauf, wie die im Bundestag vertretenen Fraktionen mit den Empfehlungen des Rechtsgutachtens umgehen, wird es möglicherweise schon in dieser Sitzungswoche geben.
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