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Aus: Ausgabe vom 01.07.2024, Seite 15 / Politisches Buch
Repression

HipHop und Malcolm X

Ein Betroffener der »Operation Luxor« berichtet
Von Dieter Reinisch
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Politikwissenschaftler Farid Hafez

Am 9. November 2020 wurden Hunderte Menschen in ganz Österreich aus dem Schlaf gerissen. Türen wurden eingetreten, Kinder mit Schnellfeuerwaffen am Anschlag in ihren Betten von Polizeibeamten bedroht: »Meine Kinder haben bis heute Angst im Dunkeln und können nicht allein schlafen«, erinnert sich Farid Hafez, habilitierter Politikwissenschaftler und eines der bekanntesten Opfer der »Operation Luxor«.

Sie war eine der größten Polizeiaktionen in Österreich seit 1945. Der damalige Innenminister und heutige Bundeskanzler Karl Nehammer von der konservativen ÖVP wollte einen »Schlag gegen den politischen Islam« setzen. Hunderte Personen und Vereine wurden verdächtigt, die österreichische Demokratie unterwandern zu wollen: Hilfsorganisationen, Moscheevereine, Geschäftsleute – und auch der angesehene Akademiker Hafez.

Alle Verfahren wurden in den darauffolgenden Jahren eingestellt, die beeinspruchten Hausdurchsuchungsbescheide für rechtswidrig erklärt. Der langfristige Schaden ist allerdings angerichtet. Muslime wurden hier pauschal kriminalisiert und eingeschüchtert. Das Leben vieler der Betroffenen und ihrer Familien änderte sich grundlegend.

Hafez, der an der Universität Salzburg forschte, musste Monate nach der Hausdurchsuchung mit seiner Familie Österreich verlassen. Heute lehrt und forscht er in den USA. In seinem Buch zeichnet er seine Lebensgeschichte und auch die Entwicklung seines Verhältnisses zum Islam nach. Er erzählt, wie aus einem Kind, das im ländlichen Oberösterreich aufwuchs, ein gläubiger Muslim wurde. Skateboards und HipHop-Texte brachten ihm einen Islam der migrantischen Schichten im globalen Norden nahe, für die ihr Glauben ein Werkzeug der Emanzipation sein sollte.

Besonders geprägt haben den jungen Hafez die Schriften von Malcom X. Durch diese sah er den Islam von da an als einen Weg zur sozialen Befreiung und Gerechtigkeit. Von HipHop und Malcom X geprägt, gründeten seine Freunde wenig später die Muslimische Jugend Österreichs, die, so schreibt er, so etwas wie die sozialdemokratische Sozialistische Jugend Österreichs für Muslime sein sollte.

Hafez beschreibt, wie in den Jahren des Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) der »Feldzug gegen den sogenannten politischen Islam« den Höhepunkt erreichte. Durch Moscheeschließungen und Kopftuchverbote sei das gesellschaftliche Klima bereitet worden, das schlussendlich zu der »Operation Luxor« führte. Das Buch prangert eindrucksvoll die Islamophobie in Österreich und die einschneidenden Folgen für viele muslimische Familien an. Spannend und gut lesbar kann Hafez zeigen, wie ein Wissenschaftler von den Behörden auch wegen seiner Forschungen als »Terrorist« gebrandmarkt wird.

Farid Hafez: Wie ich zum Staatsfeind erklärt wurde. Die Operation Luxor und der Kreuzzug gegen den »politischen Islam«. Promedia, Wien 2024, 192 Seiten, 22 Euro

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