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Aus: Ausgabe vom 02.07.2024, Seite 2 / Ausland
Krieg in der Ukraine

Feilschen um Frieden in Ukraine

Selenskij nennt Bedingungen. Russlands Rückzug nicht mehr im Mittelpunkt
Von Reinhard Lauterbach
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Neue Töne des ukrainischen Präsidenten (r.): Für den Erhalt der Ukraine wäre er bereit zu einer Einigung mit Russland (Brüssel, 27.6.2024)

Präsident Wolodimir Selenskij hat erstmals erkennen lassen, unter welchen Bedingungen die Ukraine unter seiner Führung zu einem Friedensschluss bereit sein könnte. In einem am Wochenende veröffentlichten Interview mit der US-Tageszeitung Philadelphia Inquirer nannte er an erster Stelle den »Erhalt der Ukraine«, danach »physische Sicherheit« durch die Aufnahme der Ukraine in die NATO und »wirtschaftliche Sicherheit« durch den Beitritt des Landes zur EU. Außerdem verlangte er eine nicht näher beschriebene »Genugtuung« von seiten Russlands. Die Forderung, Russland müsse vor dem Beginn jeglicher Friedensverhandlungen alle seit 2014 besetzten ukrainischen Gebiete räumen, wiederholte Selenskij nicht.

Der Präsident war offenkundig besorgt, dass der kollektive Westen auf die Idee kommen könnte, sich mit Russland über die Ukraine zu verständigen – so, wie es der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat erkennen lassen. Man könne nicht mit einer Hand »Putin« bekämpfen und ihm die andere Hand zum Gespräch reichen, sagte er an zwei Stellen des Gesprächs. Im übrigen verlangte er erneut mehr Waffen: »Wenn ihr uns nicht in der NATO wollt, dann gebt uns die Mittel, damit wir uns selbst verteidigen können.«

Ukrainische Medien interpretierten Selenskijs Äußerungen in die Richtung, dass der ukrainische Präsident hier eher Forderungen an seine westlichen Unterstützer formuliert habe, damit die Ukraine sich mit einem Ende der Feindseligkeiten abfinde, als solche an die Adresse Russlands. Vor allem die Frage nach der »Genugtuung« auf Kosten Russlands zielte klar darauf, dass Selenskij vom Westen die Übergabe des seit 2022 auf Konten in der EU und den USA blockierten Vermögens der russischen Zentralbank verlangte. Internationale Finanzinstitutionen wie der IWF und die Weltbank warnen allerdings deutlich vor einem solchen Schritt; er würde »das Vertrauen« in das westlich kontrollierte Finanzsystem untergraben und wäre deshalb kontraproduktiv. Vor diesem Hintergrund wäre die Aufnahme der Ukraine in die EU vermutlich der einzige Punkt, der an Selenskijs Forderungen für Russland akzeptabel sein könnte. Denn damit würde faktisch die EU die Kosten des Wiederaufbaus übernehmen.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (2. Juli 2024 um 11:17 Uhr)
    Selenskij hat die Ukraine mit seiner Politik in eine Sackgasse geführt, aus der es keinen Ausweg gibt. Er fordert weiterhin Waffen, obwohl klar ist, dass die Ukraine längst nicht mehr über ausreichend Personal verfügt, um den Krieg für sich zu entscheiden. Zudem ist eindeutig, dass eine ukrainische NATO-Mitgliedschaft für Russland inakzeptabel und nicht verhandelbar ist. Diese Forderung ständig zu wiederholen, ist daher mehr als sinnlos. Wer und wie der Wiederaufbau der verbleibenden Ukraine nach dem Krieg finanziert werden soll, ist mehr als auch fraglich, da die USA in den nächsten Jahren mit sich selbst beschäftigt sein werden und die Europäer nach dem Krieg finanziell so ausgelaugt sein werden, dass sie nicht in der Lage sein werden, maßgeblich zu helfen. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass mit dem fein formuliert »undiplomatischen Selenskij« ernsthafte Verhandlungen beginnen könnten.
    • Leserbrief von Jürgen Fleißner aus Seeheim - Jugernheim (2. Juli 2024 um 17:36 Uhr)
      Wer sich hier in einer Sackgasse befindet ist sicherlich eine Frage der Betrachtungsweise. Russland als militärische »Großmacht« ist nicht in der Lage, die Ukraine militärisch nach so vielen Jahren terroristischen Krieges zu besiegen und damit den verbrecherischen Krieg zu beenden. Eben mal so aufhören kann Putin aber auch nicht. Er würde den letzten Rückhalt in der eigenen Bevölkerung verlieren. Er ist es, der sich in einer Sackgasse befindet. Finanzierung des Aufbaues der Ukraine? Wie wäre es denn mit Reparationszahlung Russlands, so wie es in den vergangenen Kriegen üblich gewesen ist? Und wer hier ein »undiplomatischer« Politiker ist, ist auch eine Frage der Betrachtungsweise. Wer wie Putin das Verhandlungsergebnis nur nach seinen Vorstellungen akzeptiert, ist ein diplomatischer Politiker? Und noch eine Frage: Warum akzeptieren so viele Leserbriefschreiber nicht, dass es zwischen Staaten unterschiedlichster Gesellschaftsordnungen oder Bündniszugehörigkeiten gemeinsame Grenzen geben soll. Es ist doch keine Seltenheit auf dieser, unserer gemeinsamen, Welt. Ich wünsche allen Lesern der jW ein friedliches Miteinander. J.Fleißner

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