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Aus: Ausgabe vom 12.07.2024, Seite 15 / Feminismus
LGBTQIA-Rechte

King Nasty’s Kiss

Tochter des Präsidenten Kameruns postet Kussfoto mit Partnerin. Als Reiche hat sie eher keine Strafe zu befürchten
Von Gerrit Hoekman
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Dieser Kuss dürfte Brenda Biyas mächtigen Vater mächtig ärgern

Manchmal reicht nur ein einziges auf Instagram hochgeladenes Foto, um die öffentliche Meinung in einem ganzen Land in Wallung zu bringen. Brenda Biya etwa postete am 30. Juni eine Aufnahme, auf der sie eine Frau küsst. »PS: Ich bin verrückt nach dir & ich will, dass die Welt das weiß«, kommentierte die 26jährige, die sich auf dem Portal »King Nasty« (anstößiger König) nennt, das Foto. Keine große Sache, wäre sie nicht die einzige Tochter des seit 1982 in Kamerun allein herrschenden 91 Jahre alten Präsidenten Paul Biya. Und in dessen Herrschaftsgebiet stehen auf queere Beziehungen bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Am Dienstag sprach Brenda Biya an ihrem Wohnort in der Schweiz erstmals seit ihrem Coming-out mit der Presse, nämlich mit der französischen Tageszeitung Le Parisien. Sie habe viel Unterstützung von kamerunischen und internationalen Organisationen erhalten, aber auch eine Menge queerfeindlicher Reaktionen. »Es gibt viele Menschen in der gleichen Situation wie ich, die unter ihrer Persönlichkeit leiden. Wenn ich ihnen Hoffnung geben und ihnen helfen kann, sich weniger allein zu fühlen, (…) freue ich mich sehr«, sagte Brenda Biya. Sie habe schon als Teenager auf Frauen gestanden, aber sich lange nicht getraut. »Ich habe es verleugnet, ich kenne die Traditionen meines Landes.«

»Ich könnte viel verlieren: die Verbindung zu meiner Familie, das Recht, in mein Land zu reisen, ins Gefängnis kommen«, fürchtet Brenda Biya bei Le Parisien. Die nigerianische lesbische Feministin Uju Anya, die in den USA an der Universität von Pittsburgh lehrt, hält eine Strafe dagegen für unwahrscheinlich. »Die Antihomosexuellengesetze in Afrika gelten nicht für reiche Leute«, erklärte die Soziologin laut der britischen Onlinezeitung Pink News am 2. Juli.

Wer jedoch keine mächtige Familie hinter sich weiß, bekommt in Kamerun die volle Härte der Justiz zu spüren. »Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass das Gesetz in den letzten Jahren routinemäßig durchgesetzt wurde«, schreibt die britische Nichtregierungsorganisation Human Dignity Trust auf ihrer Homepage. »Massenverhaftungen, willkürliche Inhaftierungen sowie Folter und Gewalt in Gewahrsam sind an der Tagesordnung.«

Zwei Drittel der Bevölkerung in Kamerun sind Christen, ein Drittel muslimisch. Homosexualität wird von großen Teilen der Bevölkerung als »gegen die menschliche Natur« abgelehnt. Kritik aus dem Westen ist unerwünscht. »Manche kamerunische Politiker sehen in der westlichen Forderung nach Respekt gegenüber sexuellen Minderheiten sogar eine Ausweitung des Kulturimperialismus«, berichtete das afrikanische Wochenmagazin Jeune Afrique am 2. Juli.

Der Staatspräsident äußerte sich bis jetzt nicht öffentlich zum Coming-out seiner Tochter. »Dies betrifft das Privatleben eines Erwachsenen, der außerhalb des Landes lebt«, erfuhr Radio France Internation (RFI) am Dienstag aus Regierungskreisen. Mit ihrer Partnerin Layyons Valença ist Brenda Biya nach eigenen Angaben bereits seit acht Monaten zusammen. »Ich habe sie bereits dreimal nach Kamerun mitgenommen, ohne wirklich zu sagen, wer sie für mich war.«

Mit ihrem Coming-out hoffe sie, die Einstellung der kamerunischen Gesellschaft und das Antihomosexuellengesetz zu verändern, erklärte sie gegenüber Le Parisien. »Wir könnten zunächst die Gefängnisstrafe abschaffen«, schlug sie vor. Das will die DDHP, eine Organisation in Kamerun gegen die »Dekriminalisierung von Homosexualität«, unbedingt verhindern. Sie reichte laut der Nachrichtenagentur RFI am Dienstag bei der Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt Jaunde eine Anzeige gegen Brenda Biya wegen »Förderung und Anstiftung zur Ausübung von Homosexualität« ein. »Niemand steht über dem Gesetz«, zitierte RFI den Vorsitzenden der DDHP, Patrice Christ Guidjol.

Kamerun ist keine Ausnahme. In 31 der 54 afrikanischen Staaten droht queeren Personen Gefängnis. In Uganda steht seit letztem Jahr auf »schwere Homosexualität« beispielsweise mit Minderjährigen die Todesstrafe. In Mauretanien können queere Personen theoretisch öffentlich gesteinigt werden. Seit 15 Jahren ist allerdings kein Fall bekanntgeworden. Vielfach stammen die Gesetze noch aus der Zeit des Kolonialismus.

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