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Aus: Ausgabe vom 16.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Marodes Schienennetz

Generalsanierung bei der Bahn gestartet

Strecke Frankfurt am Main–Mannheim ist für Rest des Jahres zu. Ziel: Damit es wieder rollt
Von Susanne Knütter
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Arbeiten am Fahrdraht im hessischen Mörfelden-Walldorf

Etwa 20 Minuten Verspätung. Grund: »Längere Ein- und Ausstiegszeiten wegen hohen Fahrgastaufkommens.« Kein Wunder. Der RE2 von Kassel-Wilhelmshöhe nach Erfurt besteht aus einem längeren Waggon mit zwei Türen. Die anderthalbstündige Fahrt über stehen die Leute dichtgedrängt. Sicherlich ist der Zug nur wegen des Freitagsverkehrs so voll? Schmunzeln bei den Mitreisenden. Wie naiv. »Der platzt auch unter der Woche aus den Nähten.« Warum hängt man nicht einfach noch einen Waggon dran? »Angeblich seien manche Bahnhöfe unterwegs dafür zu kurz«, meint ein junger Mann und merkt an: »Man könnte den RE aber doch jede, anstatt nur alle zwei Stunden fahren lassen.« Pustekuchen.

Nach Dafürhalten von Friedrich Merz darf es sogar in eine andere Richtung gehen: »Die Bahn muss ihr Angebot reduzieren, damit das reduzierte Angebot wieder zuverlässig erbracht werden kann«, forderte der CDU-Chef im ARD-»Sommerinterview« am Sonntag. Dabei wurde das Streckennetz der Bahn seit den 1990er Jahren bereits um rund 5.000 Kilometer zurückgebaut. Viele der wartungsintensiven Weichen wurden ausgebaut. Das Netz ist dadurch unflexibler und störungsanfälliger geworden, schrieb die Welt am Sonntag. Der Grund: Es wurde jahrelang gespart, um die Bahn für einen möglichen Börsengang fit zu machen. Ein weiterer »Fehlanreiz« wurde nun geändert, die Folgen aber werden noch Jahre nachwirken. Die Bahn musste zwar für die Instandhaltung der Strecken aufkommen. Waren die aber so kaputt, dass nur noch der Austausch infrage kam, sprang der Bund ein. Die Folge ist ein komplett marodes Schienennetz, verrottende Bahnhöfe. Den zustandsbasierten Nachholbedarf beziffert die Infrastrukturtochter der Bahn in ihrem Bericht für 2023 auf 109,7 Milliarden Euro.

Wenn die Bahn ihre Generalsanierung der »Hochleistungskorridore«, die am Montag mit der Strecke Frankfurt am Main–Mannheim begonnen hat, abgeschlossen haben wird (geplant ist 2031), werden die Züge im besten Fall wieder rollen. Mehr nicht. Auch nicht mehr Züge. Schon gar nicht durch die ostdeutsche Provinz. Angeblich werde der Zugverkehr aber pünktlicher sein. Die dann 41 sanierten Strecken (insgesamt 9.200 Kilometer) sollen eine »Grundstabilität« für das 34.000 Kilometer lange Streckennetz gewährleisten. Einen genauen Preis für das gesamte Reparaturprojekt gibt es nicht. Schätzungen besagen mindestens 27 Milliarden Euro.

Allein die Sanierung der Riedbahn zwischen FFM und Mannheim wird mit Kosten in Höhe von 1,4 Milliarden Euro beziffert – deutlich mehr als zunächst angenommen. Das umfasst die Erneuerung von 140 Kilometern Oberleitungen, 150 Weichen, 265.000 Schwellen und 120 Kilometern Gleise, die Installation von neuer Signal- und Stellwerkstechnik und die Modernisierung von 20 Bahnhöfen. Für die Bauarbeiten wird die Strecke bis Dezember komplett gesperrt.

Dass die Ticketpreise teurer werden, gilt als ausgemacht. Weil eine gesetzliche Regelung für den Fall einer Kapitalerhöhung auch höhere Einnahmen verlangt, werden die Trassenpreise, die für jede einzelne Zugfahrt bezahlt werden müssen, stark steigen. Die Sanierungen tragen indirekt insofern ihren Teil dazu bei, da sie finanziert werden sollen, indem der Bund das Eigenkapital der Bahn erhöht. Der Bund könnte damit die Schuldenbremse umgehen. Allerdings muss Eigenkapital mit mehr als fünf Prozent verzinst werden. Die würden wieder auf die Ticketpreise umgelegt. Und die Bahnfahrer zahlen doppelt.

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