Bayern rüstet auf
Von Fabian LinderBayern rüstet auf – nach innen wie nach außen. Kurz vor der Sommerpause verabschiedete der Landtag des Freistaats am Mittwoch eine Reihe innen- und sicherheitspolitischer Gesetze sowie Novellierungen. Darunter die Einführung eines Bundeswehrfördergesetzes, das laut Gewerkschaften und Friedensbewegung in Bildung und Forschung eingreift, und eine Novelle des Polizeiaufgabengesetzes (PAG).
Bereits im Vorfeld war davon auszugehen, dass das »Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern« durch die Regierungsparteien CSU und Freie Wähler sowie die SPD verabschiedet werden würde, wie die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW in Bayern Martina Borgendale bereits im April gegenüber junge Welt geäußert hatte. Die Debatte im Landtag war vor allem ein Gradmesser, wie weit die ideologische Militarisierung bisher vorangeschritten ist.
Der CSU-Abgeordnete Wolfgang Fackler betonte, dass das Motto der Friedensbewegung »Frieden schaffen ohne Waffen«, die Verteidigungsfähigkeit innenpolitisch schwäche und von »Kremlstrategen« begrüßt werde. Das in dem Gesetz enthaltene Verbot von Zivilklauseln an Universitäten (die zukünftig de facto zur militärischen Forschung gezwungen werden können) diene dem Schutz der Forschungsfreiheit und schaffe Wettbewerbsfähigkeit. Schulen können zudem gezwungen werden, den Auftritt von Jugendoffizieren zuzulassen.
Die Opposition zeigte sich gespalten. Während die AfD eine Stärkung der Landesverteidigung forderte, wurde die Enthaltung zum Gesetz mit einem Friedensverständnis begründet, das auch eine starke Bundeswehr und »patriotische« Landesverteidigung enthält. Der SPD-Abgeordnete Markus Rinderspacher verwies auf die »Sympathien in der Truppe für sozialdemokratische Verteidigungsminister« wie Boris Pistorius, der wie kein anderer für die »Zeitenwende« und die Erhöhung der Verteidigungsausgaben stehe. Daher unterstütze man das Gesetz, auch weil die »SPD die Partnerin an der Seite unserer Parlamentsarmee« sei.
Ablehnung kam von Bündnis 90/Die Grünen, die das Gesetz als verfassungswidrig und unnütz bezeichneten, gleichzeitig aber auf die Stärkung der Bundeswehr durch die Kollegen der Ampel in Berlin verwiesen. Außerparlamentarische Kritik kam unterdessen von der bayerischen Linken, die sich der Petition von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG–VK) anschloss. Man wolle außerdem die angekündigte Popularklage gegen das Gesetz unterstützen.
Nicht weniger kontrovers war die Debatte um die PAG-Neufassung, bei der es unter anderem um die Verwendung einer »verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattform« (Vera) von der geheimdienstnahen US-Firma Palantir ging. Bereits Anfang des Jahres forderte der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri die Einstellung des Testbetriebs durch das BKA. Auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) verwies gegenüber jW auf die Gefahren des Einsatzes solcher Produkte und sah insbesondere den Datenschutz unbeteiligter Dritter oder von Zeugen gefährdet. Die GFF hatte zuvor in einer Stellungnahme Bestrebungen für einen bundesweiten Einsatz der Software kritisiert.
Nicht nur die geplante Nutzung von Vera wird bemängelt. Was verklausuliert »Übermittlungs- bzw. Übertragungspflicht für Betreiber von stationären Videoanlagen« genannt wird, ist nichts anderes als der allgemeine Zugriff der Polizei auf festinstallierte Überwachungskameras im Freistaat. CSU-Mitglied und Polizist Alfred Grob verteidigte die Novellierung, die auch Freie Wähler und AfD unterstützen. Bayern sei zwar seit Jahrzehnten sicherstes Bundesland, dennoch hätten die Menschen aufgrund jüngster Straftaten und terroristischer Attacken Angst und wünschten sich persönliche sowie digitale Präsenz durch die Polizei.
Trotz der Kritik im Parlament vonseiten der Grünen und der SPD hinsichtlich des als unzulässig betrachteten bayerischen Alleingangs und dem Zugriff auf Kameras ohne Richtervorbehalt verabschiedete der Landtag die Novelle mit einer satten Mehrheit.
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