Hauptsache Einigung
Von Susanne KnütterSolange die SPD mitregiert, halten sich die Gewerkschaften mit ihrer Kritik zurück. Jedenfalls in den ersten Reihen. Mit Blick auf den Haushaltsentwurf für 2025 zeigte sich die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) erleichtert, dass überhaupt eine »politische Einigung gelungen« ist. Das sorge für »Stabilität und gibt den Menschen Sicherheit«, erklärte Yasmin Fahimi am Mittwoch. Der Kanzler hätte »Wort gehalten und die von der FDP immer wieder ins Spiel gebrachten Sozialkürzungen abgewendet«. Was für eine »Erleichterung für Hunderttausende Haushalte in ganz Deutschland«. Das entspreche den »Interessen der Beschäftigten, die Kürzungen beim Sozialstaat mehrheitlich ablehnen«. Etwas bemängelte sie dann doch, z. B. fehlende Standortgarantien, Zusagen tariflicher Entlohnung und die arbeitspolitischen Maßnahmen im Begleitbeschluss »Wachstumsinitiative«. Steuerfreie Zuschüsse für Mehrarbeit und hohe Steuerfreibeträge ausländischer Fachkräfte würden ein Strohfeuer bleiben und neue Ungleichheit schaffen, so Fahimi. Was es tatsächlich bräuchte, seien endlich eine bessere Infrastruktur für Kinderbetreuung und Altenpflege, eine geförderte Ausbildung junger Erwachsener ohne bisherigen Abschluss und einen Rechtsanspruch auf Aufstockung der Teilzeitbeschäftigung.
IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner nannte den Haushaltsentwurf einen »Kompromiss«, der »leider aber ambitionslos in der Gestaltung der Zukunft« sei. Sie begrüßte grundsätzlich die »Wachstumsinitiative«, merkte aber an: »Unser Verständnis von Wachstum ist nicht, dass Menschen zu schlechteren Bedingungen mehr arbeiten.«
Der Verdi-Bundesvorsitzende Frank Werneke lobte, dass die »Sparorgie« ausgeblieben sei, kritisierte aber, dass weder die »Haushaltsnotlage« festgestellt worden sei noch die Schuldenbremse reformiert werde. »Die geplanten Steuerentlastungen schwächen die Einnahmebasis der Kommunen weiter massiv«, so Werneke. Der Investitionsstau in den Kommunen summiere sich auf 160 Milliarden Euro. Allein aufgrund der zeitlichen Verschiebung von rund 350 Millionen Euro vom Bund zugesagter Regionalisierungsmittel gerate der ÖPNV weiter unter Druck und drohten höhere Preise für das »Deutschland-Ticket«. »Das ist keine fortschrittliche Verkehrspolitik«, stellte Werneke fest. Mit Blick auf die Geldnot zahlreicher Krankenhäuser, den Zustand der Pflegekassen, dem Zuschussbedarf der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Umstand, dass die immensen Investitionsbedarfe in Erziehung, Bildung und Pflege »nicht ansatzweise abgebildet« werden, stellte er fest: »Daseinsvorsorge spielt in den Eckpunkten keine Rolle.«
Wesentlich deutlicher äußerte sich da DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Sie warf der Regierung eine »Sparpolitik auf dem Rücken von arbeitslosen Menschen« vor. Diese bräuchten mehr Chancen, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren, und nicht weniger. »Das funktioniert aber nur, wenn Jobcenter auch ausreichend Geld und Personal haben, um gut beraten, betreuen und fördern zu können.« Wohin die Reise angesichts der Einsparungen im Etat des Arbeitsministeriums geht, zeigte sie außerdem anhand der neuerlichen Kürzung des Zuschusses zur Rentenversicherung auf. Der Bundeszuschuss soll für die Jahre 2025 bis 2027 um insgesamt zwei Milliarden Euro geringer ausfallen als nach geltendem Recht. Durch frühere Gesetze wurden für die Jahre 2024 bis 2027 bereits Kürzungen von jährlich 1,2 Milliarden Euro verankert. Piel warf Finanzminister Christian Lindner (FDP) vor, er finanziere »die Sanierung des Bundeshaushalts und Steuersenkungen für Spitzenverdiener auf dem Rücken der Beitragszahlenden«. Mittelfristig steige durch seine Pläne der Beitragssatz zusätzlich, was die Mittelschicht belaste und Rentenerhöhungen in der Zukunft abschwäche.
Klare Worte fand man an der Gewerkschaftsbasis zu den Milliardenkürzungen beim Bürgergeld. »Wenn ein Arbeitsplatz angemessene Bedingungen und ein faires Gehalt bietet, wird er in der Regel angenommen. Andernfalls gibt es oft legitime Gründe für eine Ablehnung«, erklärte Silke Stark, Vorsitzende des Erwerbslosenausschusses des Verdi-Bezirks Pfalz. Viele Bürgergeldbezieher verfügten nicht über die erforderlichen Qualifikationen für verfügbare Stellen oder könnten aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten. Das Bürgergeld als Strafe zu kürzen, sei nicht nur ungerecht, sondern auch existenzbedrohend.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (19. Juli 2024 um 12:55 Uhr)Aber das Flaschenpfand soll ja doch schon bald erhöht werden. Es bleibt eben niemand unversorgt in unserem freiheitlichen Sozialstaat. Denn wo leben wir denn? Doch nicht etwa in China!
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