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Aus: Ausgabe vom 19.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Für Krieg und Uschi

Abstimmungen im EU-Parlament
Von Arnold Schölzel
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»Personifikation der postdemokratischen Krise«: Ursula von der Leyen

Die erste Resolution des neuen EU-Parlaments verlangt, den Ukraine-Krieg zu eskalieren und zu verlängern: 495 von 718 Abgeordneten stimmten am Mittwoch für einen Text, in dem der Besuch Viktor Orbáns in Moskau »verurteilt« und behauptet wird, dessen Dialoginitiative stelle »einen eklatanten Verstoß gegen die Verträge und die gemeinsame Außenpolitik der EU« dar. Die hält sich von Zeit zu Zeit für ein »Friedensprojekt« und steht selbstverständlich bei jedem NATO-Krieg zur »Wertegemeinschaft«.

Also wird in der Erklärung begrüßt, »dass die Ukraine unumkehrbar auf dem Weg zur NATO-Mitgliedschaft ist«, und dem NATO-Gipfel, auf dem das »unumkehrbar« vergangene Woche deklariert wurde, noch eins draufgesetzt: Verlangt wird von den EU- und NATO-Mitgliedern, »jährlich mindestens 0,25 Prozent ihres BIP für die militärische Unterstützung der Ukraine aufzuwenden«. Die Resolutionsverfasser haben sich an dieser Stelle in einen Rausch geschrieben und verlangen von der EU, die »militärische Unterstützung erheblich aufzustocken«, »die Kapazitäten ihrer Rüstungsindustrie zu erhöhen« und »die Beschränkungen aufzuheben, die für den Einsatz von der Ukraine zur Verfügung gestellten westlichen Waffensystemen gegen militärische Ziele im Hoheitsgebiet Russlands gelten«. Außerdem auf dem Wunschzettel: Diebstahl aller »von der EU eingefrorenen staatlichen Vermögenswerte Russlands« sowie Ausweitung der Sanktionspolitik gegen Russland und Belarus.

Die Resolution ist ein Dokument politischen Größenwahns, rasender Enttäuschung wegen Machtlosigkeit und deswegen gesteigerten Willens zur Gewalt. Zwei Dinge seien angemerkt. Erstens: Die Vertreter vieler Parteien, die sich »links« oder gar antiimperialistisch nennen, haben für dieses ziemlich pathologische Hetzpapier gestimmt, andere sich enthalten, darunter Vertreter der irischen Sinn Féin, der baskischen EH Bildu, der griechischen Syriza, der belgischen PTB und der deutschen Die Linke (Carola Rackete und Martin Schirdewan). Dagegen gestimmt hat unter anderem Özlem Demirel (Die Linke) ebenso wie das gesamte BSW.

Zweitens: Am Mittwoch urteilte der Gerichtshof der EU, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe der Öffentlichkeit bei den 2020 und 2021 mit Pharmaunternehmen geschlossenen Impfstoffverträgen zu Unrecht wichtige Informationen vorenthalten – etwa zu möglichen Schadenersatzansprüchen bei Impfstoffmängeln. Die Klage wurde auch von Grünen-EU-Abgeordneten mitgetragen, die wählten am Donnerstag unverdrossen von der Leyen erneut ins Amt. Martin Sonneborn (Die PARTEI) fasste gut zusammen, von der Leyen sei »die 1,50 Meter große Personifikation der postdemokratischen Krise«, gewählt mit den Stimmen von CDU/SPD/Grünen und Rechten. In ihrer Bewerbungsrede hatte sie einen neuen Posten angekündigt: einen EU-Verteidigungskommissar. Der wird die Parlamentsresolution, die in den Papierkorb gehört, nicht dorthin befördern.

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  • Leserbrief von Peter Balluff aus Vöhl (19. Juli 2024 um 18:23 Uhr)
    »Ich glaube, mir brennt der Kittel …« Da spende ich regelmäßig für Sanktionsfrei e. V., damit Bürgergeld-Bezieher ein halbwegs erträgliches Leben haben, gerade eben auch für die Kids, die demnächst eingeschult werden, denn wer weiß schon, was ein Schulranzen kostet, und da kommen so zwei »Knallchargen« wie die Rackete und der Schirdewan von den Linken ums Eck und stimmen einer Resolution im EU-Parlament zu, dass 0,25 Prozent des BIP der Länder zur Finanzierung des Kriegs in der Ukraine verwandt werden soll. Die AfD im Osten wird’s freuen, dass die Linke jetzt Wahlkampf für sie macht. Wie blöd muss man denn sein …
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich Kral aus Potsdam (19. Juli 2024 um 14:58 Uhr)
    Das Abstimmungsverhalten der Partei Die Linke bei der Verabschiedung der EU-Kreisresolution korreliert direkt mit ihrem Absturz beim Wählervotum. Sich als angeblich linke Partei in einer Frage von Krieg oder Frieden der Stimme zu enthalten bedeutet, politisch weder Fisch noch Fleisch zu sein. Ich schäme mich für diese Partei, da sie es ja offensichtlich nicht selber tut.
  • Leserbrief von Meikel (19. Juli 2024 um 12:27 Uhr)
    »Pfui Deibel«, kann ich da nur sagen. Dieser widerliche Haufen Militarismus, Korruption und Intransparenz ist nicht mein Europa.

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