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Aus: Ausgabe vom 26.07.2024, Seite 14 / Medien
Rechter Medienmogul Vincent Bolloré

Hetze auf allen Kanälen

Der Unternehmer Vincent Bolloré unterstützte die französische Rechte im Wahlkampf so deutlich, dass die Medienaufsicht ihn nun abgestraft hat
Von Luc Śkaille, Ribeaucourt
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Sich seinen Machenschaften zu widmen ist riskant: Vincent Bolloré im März in Paris

Das Medienimperium des französischen Milliardärs Vincent Bolloré erlitt in dieser Woche einen Rückschlag. Die französische Medienregulierungsbehörde Arcom beschloss am Mittwoch, die Digitalfrequenz des Senders C 8 der von Bolloré dominierten Canal+-Gruppe nicht zu erneuern. Hintergrund waren 7,7 Millionen Euro an Strafen gegen den 2005 durch die Bolloré-Group gegründeten Sender. Die Arcom sah das »vorrangige Gebot des Pluralismus der soziokulturellen Ausdrucksformen« im Falle von C 8 als verletzt an. Über hundert Organisationen hatten zuletzt einen Aufruf unterzeichnet, Bolloré zu »entwaffnen« und Standorte sämtlicher Firmen unter seinem Einfluss veröffentlicht.

Kandidierende Politiker dürfen im Wahlkampf nur in bestimmtem Umfang auf Sendung sein, um ein ausgewogenes Meinungsbild darzustellen. Auf Bollorés zahlreichen privaten Kanälen erhielten inoffizielle rechte Stimmen deutlich mehr Redezeit, was von der Aufsicht, anders als bei Politikern, nicht überprüft wurde. Das ermittelte kürzlich etwa eine Analyse des »EPOS Economic Research Center« der Universitäten Bonn und Mannheim. Auf Europe 1 konnte in der Sondersendung »on marche sur la tête« täglich gegen alles »Linke« und »Fremde« gehetzt und mit populistischen Anmaßungen auch Teile ärmerer Bevölkerungsschichten erreicht werden.

Bolloré begünstigte den Aufwind des Rassemblement National (RN) vehement. Das eigene Kapital weiß er strategisch für seine Interessen und politischen Visionen einzusetzen: Im französischen Wahlkampf kam es in diesem Jahr dem RN zugute, nachdem Bolloré im Jahr 2022 noch Éric Zemmours Reconquête unterstützt hatte. Doch anders als etwa ein Donald Trump oder Silvio Berlusconi bevorzugt der Unternehmer dabei die zweite vor der ersten Reihe. Bolloré hat klares Interesse am Aufstieg der Rechten. Etwa die vom RN angestrebte Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks würde starke Konkurrenten in der nationalen Meinungsbildung beschädigen.

Während die intellektuelle Linke die Bevölkerung kaum noch erreicht, wächst der Einfluss der Rechten in Frankreich mit dem Rückenwind von Bolloré deutlich an. Die flächendeckende Verankerung der Reaktion im französischen Alltag ist dabei mindestens so bedrückend wie die spektakulären Wahlerfolge des RN. Für beides sind Figuren wie der Medienmogul äußerst fruchtbare Voraussetzungen. Auch Strafzahlungen und die temporäre Einschränkung der Sendefrequenzen einzelner Produkte des Großunternehmers dürften Bolloré nicht von seiner Strategie abbringen.

Durch den schrittweisen Einstieg in die Vivendi Group und den Aufbau eigener Medienformate wie dem Fernsehkanal C8 und der Umsonstzeitung Direct Matin wuchs Bollorés Gewicht in der Medienwelt in den letzten zwei Jahrzehnten gewaltig. Mit Vivendi-Tochtergesellschaft Canal+-Group besitzt er zudem eine der größten Pay-TV-Gruppen in Europa. Die 2021 von Bolloré erworbene Wochenzeitung JDD krempelte der Unternehmer mit dem Einsatz des ehemaligen Redakteurs der rechtsradikalen Valeurs actuelles, Geoffroy Lejeune, komplett um.

Neben der wachsenden Medienpräsenz und der offensiven Rechtsstrategie werden Vincent Bolloré seit Jahren informelle Treffen mit sämtlichen Repräsentanten des rechten Spektrums nachgesagt. Die Tageszeitung Le Monde berichtete jüngst, Bolloré persönlich habe den Exrepublikaner Éric Ciotti beeinflusst, im Juni zum Rassemblement National überzulaufen. Bereits 2023 beschrieb das Blatt Bollorés Ambitionen, eine starke »vereinte Rechte« aufzubauen – kein Jahr später droht daraus politische Realität zu werden.

Sich den Machenschaften des rechten Medienmilliardärs zu widmen ist indes riskant. In zahllosen Gerichtsverfahren verklagte der Unternehmer Journalisten wegen angeblich übler Nachrede und Verletzungen seiner Persönlichkeitsrechte. Die juristische Aggressivität richtet sich dabei keineswegs nur gegen linke Medien, sondern auch gegen Stimmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie etwa France 2 oder France Inter. Ein Communiqué der Nachrichtenagentur AFP mit den Tageszeitungen Libération, L’Humanité und Les Échos ordnete die Angriffe von Bollorés Anwälten schon 2018 als Strategie ein, um »kritische Journalisten durch den finanziellen Ruin mundtot zu machen«.

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