75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Freitag, 13. September 2024, Nr. 214
Die junge Welt wird von 2927 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 29.07.2024, Seite 1 / Titel
Nahostkonflikt

Ruf nach »Vergeltung«

Israel greift nach Raketeneinschlag auf annektierten Golanhöhen Ziele im Libanon an. Hisbollah bestreitet Verantwortung
Von Karin Leukefeld
APTOPIX_Israel_Leban_82903590.jpg
Israelischen Angaben zufolge soll der Sportplatz absichtlich beschossen worden sein (Madschdal Schams, 27.7.2024)

Am Sonntag hat die israelische Armee zahlreiche Ziele im Libanon bombardiert. Die Streitkräfte erklärten dazu, sie hätten Waffenlager und Infrastruktur der Hisbollah in der Bekaa-Ebene, in Tyros und in zahlreichen Orten im Südlibanon zerstört. Die Angriffswelle sei eine Vergeltung für einen tödlichen Angriff auf ein Fußballfeld in der drusischen Gemeinde Madschdal Schams. Dabei waren am späten Sonnabend nachmittag zwölf Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zehn und 20 Jahren getötet worden. Israel macht die Hisbollah verantwortlich.

In einer Erklärung des israelischen Außenministeriums hieß es, die libanesische »Terrororganisation« töte absichtlich Zivilisten. Sie sei für das »Massaker« verantwortlich und habe »alle roten Linien« überschritten. Der israelische Energieminister Eli Cohen forderte, »Libanon soll brennen«. Der Oberkommandierende der Israelischen Streitkräfte Herzl Halevi gab an, das Fußballfeld sei von einer »Falak«-Rakete iranischer Bauart getroffen worden. Die »Hisbollah-Rakete« sei mit 53 Kilogramm Sprengstoff geladen gewesen. »Wer so eine Rakete in bewohntes Gebiet feuert, will Zivilisten und Kinder töten«, so Halevi in einer Video­nachricht am Sonntag morgen. Für Sonntag nachmittag, nach der vorzeitigen Rückkehr von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aus Washington, war eine Beratung im israelischen Sicherheitskabinett vorgesehen.

Die Hisbollah hatte bereits am Sonnabend unmittelbar nach den ersten Vorwürfen aus Israel »kategorisch« erklärt, sie sei nicht für den Vorfall verantwortlich. Gegenüber der UN-Mission für den Libanon (UNIFIL) sagte ein Vertreter der Hisbollah, es habe sich vermutlich um eine fehlgeleitete israelische Abfangrakete gehandelt, die die Explosion verursacht habe. Wie üblich, hatte die Hisbollah auch am Sonnabend Angaben über alle von ihr auf israelische Stellungen abgefeuerten Raketen mit Ziel, Grund und Sprengkraft veröffentlicht.

Der Leiter der UNIFIL-Mission im Libanon, Generalleutnant Aroldo ­Lázaro, forderte alle Seiten zu absoluter Zurückhaltung auf. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verlangte eine »unabhängige internationale Untersuchung«. Der US-Präsidentenbeauftragte für Israel und Libanon, Amos Hochstein, telefonierte mit dem Führer der libanesischen Drusen, Walid Dschumblat. Dieser habe gegenüber Hochstein wiederholt, dass »alles getan werden muss, um die israelische Aggression gegen Palästina und Libanon zu stoppen«, wie Dschumblats Progressive Sozialistische Partei gegenüber libanesischen Medien berichtete. Den Familien der getöteten Kinder sprach Dschumblat sein Mitgefühl aus. Eine Eskalation müsse vermieden werden. Israel tue alles, »um Konflikte und die Zersplitterung der Region zu befeuern«.

Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanaani, warnte Israel erneut, unter Vorwand einen Krieg gegen den Libanon zu beginnen. Israel versuche die Weltöffentlichkeit von »zehn Monaten Massenmord im Gazastreifen und Massenmord an palästinensischen Kindern und Frauen« abzulenken.

Die israelischen Streitkräfte hatten am Samstag morgen erneut eine Schule im südlichen Gazastreifen angegriffen. Örtlichen Berichten zufolge wurden dabei mindestens 30 Menschen getötet, darunter 15 Kinder. In der Khadidscha-Schule in Deir Al-Balah befand sich auch ein Notlazarett. Israel gab jedoch an, ein »Kommando- und Kontrollzentrum der Hamas« zerstört zu haben.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (29. Juli 2024 um 12:25 Uhr)
    »Israel versuche die Weltöffentlichkeit von ›zehn Monaten Massenmord im Gazastreifen und Massenmord an palästinensischen Kindern und Frauen‹ abzulenken.« - Diese Aussage des Sprechers des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanaani, ist nur die halbe Wahrheit. Denn er verschweigt, dass die Hamas am 7.10.2023 die bis dahin bestehende relative Waffenruhe mit einem Raketenhagel auf Israel abrupt beendete. Die Raketen hierfür hatte der Iran an die Hamas geliefert.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (29. Juli 2024 um 20:19 Uhr)
      »Relative Waffenruhe« … seit 1967 = Euphemismen in neuer Qualität – die Herrschenden freut es.
  • Leserbrief von R.Brand (29. Juli 2024 um 08:50 Uhr)
    Kein Wort über die Berichte der Augenzeugen der syrischen Drusen nach denen dies eine fehlgeleitete Abwehrrakete der Zionisten war? (…)

Ähnliche:

  • Die Bombardements an der Grenze haben auch Brände verursacht und...
    19.07.2024

    Israels heißer Norden

    Gefechte mit Hisbollah: Seit Oktober Hunderte Menschen im Libanon getötet
  • Bisher keine Rettung in Sicht: Die Einwohner Gazas leiden unter ...
    11.07.2024

    Katastrophe eingeplant

    Gazakrieg: Israel bombardiert erneut Schutzsuchende und benutzt laut UN-Experten Hunger als Waffe
  • Das israelische Militär arbeitet häufig gegen, statt mit dem Rot...
    24.06.2024

    Menschliche Schilde

    Israel: Soldaten binden Gefangenen auf Motorhaube. Spannungen mit Hisbollah und Jemen nehmen zu