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Aus: Ausgabe vom 29.07.2024, Seite 5 / Inland
Rohstoffpolitik

Energieriese in der Klemme

Niedersachsen: Umweltverbände klagen gegen Landesregierung wegen Gasbohrgenehmigung
Von Oliver Rast
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Enterung der Bohrplattform vor Borkum: Proteste gegen die geplante Erdgasförderung (4.6.2024)

Gegenwind an der Küste ist üblich. Nun bläst er dem niederländischen Öl- und Gaskonzern ONE-Dyas stärker ins Gesicht, etwas jedenfalls. Denn gegen geplante Gasbohrungen vor der Nordseeinsel Borkum klagen drei Naturschutzorganisationen, berichtete der NDR am Freitag. Demnach hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) beim Verwaltungsgericht Oldenburg Klage wider die Landesregierung Niedersachsen eingereicht.

Warum? Vor einer Woche hatte der zuständige Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) den Sofortvollzug der Genehmigung angeordnet. Speziell jene für ein benötigtes Seekabel. Schließlich muss die vorgesehene Gasbohrplattform irgendwoher mit Strom versorgt werden. Ferner beantragte die DUH ein Eilverfahren, »um die unwiederbringliche Zerstörung geschützter Riffe zu verhindern«, wie der Verein am Freitag mitteilte.

Unterstützt werden die rechtlichen Schritte vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Niedersachsen und der Bürgerinitiative »Saubere Luft Ostfriesland«. Die drei Organisationen fordern das »rot-grüne« Landeskabinett unter Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auf, »das energiepolitisch unnötige Projekt zum Schutz von Klima, Natur und den anwohnenden Menschen zu stoppen«.

Worum geht es? ONE-Dyas will in der Nordsee ein Gasfeld erschließen. Das liegt in etwa je zur Hälfte in deutschen bzw. niederländischen Gewässern. Im April hatte die DUH die Bohrgenehmigung des Nachbarlandes gerichtlich kippen können. Doch das zuständige Ministerium der neuen rechten Regierung erteilte neuerlich eine Erlaubnis für die Ausbeutung der Erdgasvorkommen. Und auf deutscher Seite? Eine Genehmigung der Bohrungen durch das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) stehe bislang aus, so die DUH und Co.

Brisant: Mitte des Monats hatte die DUH ein geheimgehaltenes Schreiben von ONE-Dyas geleakt. Demnach drohte der Energiemulti der Weil-Regierung mit Schadenersatzklagen, »sollte der Weg für Gasbohrungen vor Borkum nicht freigemacht werden«. Eine sachgrundlos Drohgebärde, wie Naturschützer sagen. Aber wie reagierte der sozialdemokratische Landeschef? Kriecherisch. Im Plausch mit den ONE-Dyas-Bossen soll er angekündigt haben, »alles Erdenkliche« zu tun, um besagte Genehmigung so rasch wie möglich zu erteilen.

Tonja Mannstedt regt besonders das auf: »Die Genehmigung der Bohrungen steht im krassen Widerspruch zum Schutz des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer«, wurde die Landesgeschäftsführerin des BUND Niedersachsen in der Mitteilung zitiert. Die Gewinnung von Öl und Gas sei mit dem Status des Welterbes unvereinbar. »Es droht eine Absenkung des Meeresbodens, was angesichts des Anstiegs des Meeresspiegels inakzeptabel wäre«, so Mannstedt weiter. Nicht einmal eine Ausgleichsfläche solle es laut der Genehmigung für die Zerstörung des Riffs geben.

Dabei gibt es Alternativen, um keine geschützten Arten wie Schweinswale und Kegelrobben zu gefährden, weiß Bernd Meyerer, Sprecher der Bürgerinitiative »Saubere Luft Ostfriesland«: Denn statt einer umwelt- und klimaschädlichen Bohrinsel könnten mit dem Strom des Offshorewindparks Riffgat – 15 Kilometer nordwestlich der Insel Borkum gelegen – bis zu 120.000 Haushalte direkt mit sauberer Energie versorgt werden.

Klar ist: Juristisch wird weiter gezankt werden. Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH, betont: Profitinteressen eines »fossilen« Konzerns stehen nicht höher als das empfindliche Ökosystem Nordsee. Oder: Der Gegenwind bleibt.

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