75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Montag, 9. September 2024, Nr. 210
Die junge Welt wird von 2927 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 31.07.2024, Seite 7 / Ausland
African National Congress

ANC ohne Zuma

Südafrika: Ehemalige Befreiungsbewegung schließt Expräsidenten aus. Dieser hat sich längst neuer Partei angeschlossen
Von Christian Selz, Kapstadt
imago0294985394h.jpg
Aus dem ANC rausgeschmissen: Südafrikas früherer Präsident Jacob Zuma (M., Johannesburg, 24.5.2009)

Am Ende, so zumindest der Vorwurf, musste er es aus der Zeitung erfahren: Jacob Zuma ist vom African National Congress (ANC) ausgeschlossen worden. Das Urteil der Disziplinarkommission war bereits am Sonntag an Medien durchgestochen worden, am Montag bestätigte ANC-Generalsekretär Fikile Mbalula den Parteiausschluss Zumas. Der 82jährige Expräsident des ANC und Südafrikas ist damit das erste Oberhaupt in der Geschichte der 1912 gegründeten ehemaligen Befreiungsbewegung, das aus der Partei geworfen wird.

Der ANC hatte Zuma bereits im Januar suspendiert. Dem Expräsidenten wurden parteischädigendes Verhalten sowie Kollaboration mit einer anderen politischen Organisation vorgeworfen. Beides lässt sich schwerlich abstreiten: Zuma hatte ANC- und Staatspräsident Cyril Ramaphosa öffentlich als »Agenten des weißen Monopolkapitals« bezeichnet und den Vorsitz der Ende vergangenen Jahres neugegründeten Partei uMkhonto weSizwe (MKP) übernommen. Zumas »Wut auf den ANC« habe seine »emotionale Verbindung zur Organisation« übertroffen und ihn »blind gemacht für die widersprüchliche Position, in die er sich gebracht hat«, heißt es im Urteil der Disziplinarkommission. Das Fazit: »So quälend es für das angeklagte Mitglied sein mag, sich außerhalb des ANC wiederzufinden, nachdem er mehr als sechs Jahrzehnte seines Lebens unter großen persönlichen Entbehrungen der Organisation gewidmet hat, so wäre es doch nicht statthaft, dass er gleichzeitig Mitglied der MKP und des ANC ist.«

Zuma, der in ärmsten Verhältnissen als Hirtenjunge aufwuchs, war dem ANC 1959, ein Jahr vor dem Verbot durch das rassistische Apartheidregime, beigetreten. 1962 trat er auch dem bewaffneten Arm des ANC, uMkhonto weSizwe, bei, dessen Namen nun auch seine neue Partei trägt. 1963 wurde Zuma festgenommen und zehn Jahre auf der Gefängnisinsel Robben Island inhaftiert. Nach seiner Freilassung arbeitete er im Untergrund weiter für die Partei und wurde schließlich Chef von deren Geheimdienst. Nach dem Ende der Apartheid ließ er sich 1997 zum Vizepräsidenten des ANC wählen. Als seine politische Karriere schließlich Mitte der 2000er Jahre wegen Verwicklung in ein korruptes Waffengeschäft und Vergewaltigungsvorwürfen vor dem Aus stand, protestierten ausgerechnet die Frauen- und die Jugendliga des ANC für Zuma. Mit Unterstützung der Parteilinken, des Gewerkschaftsbunds COSATU und der South African Communist Party löste er 2007 den neoliberalen Thabo Mbeki als Parteichef ab und zog 2009 als Staatschef in die Union Buildings in der Hauptstadt Pretoria ein.

Dort entpuppte sich der Hoffnungsträger in den neun Jahren seiner Amtszeit als zentrale Figur eines Korruptionsnetzwerks, das sämtliche Schaltzentralen der Regierung, der ihr unterstehenden Staatskonzerne, und der Strafverfolgungsbehörden unterwanderte. Zuma spaltete den Gewerkschaftsbund, führte im wesentlichen das neoliberale Programm seines Vorgängers weiter und ließ seine Gefolgschaft zugleich die Kassen der öffentlichen Hand leeren. Im Februar 2018 wurde der Druck auch parteiintern zu groß, Zuma musste zurücktreten. Weil er sich weigerte, vor einer Untersuchungskommission zur Korruption während seiner Amtszeit auszusagen, kam er 2021 sogar kurzzeitig in Haft. Als Reaktion plünderten und brandschatzten seine Anhänger in den beiden bevölkerungsreichsten Provinzen Gauteng und KwaZulu-Natal, 354 Menschen wurden getötet.

Zuma spielt sich heute als Rächer der Ärmsten auf, schwingt antiimperialistische Reden, will die Macht der traditionellen Stammesoberhäupter stärken und die unabhängige Justiz bekämpfen. Seine neue MKP hat er damit bei den Wahlen im Mai zur drittstärksten Kraft im Parlament gemacht und dem ANC derart schwere Verluste zugefügt, dass die Regierungspartei erstmals in der Post-Apartheid-Ära Koalitionspartner benötigte. Der von Staatschef Cyril Ramaphosa ausgerufenen »Regierung der Nationalen Einheit«, schloss sich die MKP nicht an. Statt dessen beklagt seine neue Partei nun den Rauswurf ihres Anführers aus dessen alter Organisation.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Auf dem Wahlkampfbanner zeigt sich Präsident und ANC-Chef Cyril ...
    29.05.2024

    ANC vor Machtverlust

    30 Jahre nach dem Ende der Apartheid droht Südafrikas Regierungspartei erstmals die absolute Mehrheit im Parlament zu verlieren
  • Arbeiterrechte werden in Südafrika auch unter der Herrschaft des...
    27.04.2024

    Verraten und gekauft

    30 Jahre nach dem Ende der Apartheid fällt Südafrikas Bilanz ernüchternd aus. Trotz politischer Befreiung blieben die Besitzverhältnisse unangetastet

Regio: