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Aus: Ausgabe vom 31.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Umweltschutz

Die Tiefsee ausbeuten

Auf der Vollversammlung der Internationalen Meeresbodenbehörde in dieser Woche in Jamaika wird der Einstieg in Rohstoffabbau vorbereitet
Von Jörg Kronauer
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Proteste gegen »The Metals Company«-Tiefseebohrungen in Mexiko (27.9.2023)

Werden in Kürze Rohstoffe im großen Stil aus den Böden der Weltmeere gefördert? Eine Vorentscheidung könnte auf der Vollversammlung der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) fallen, die in dieser Woche am Sitz der ISA in Jamaikas Hauptstadt Kingston stattfindet. Die Behörde wurde 1994 gegründet, um den Meeresboden unter internationalen Gewässern zu schützen und vor allem den Abbau von Rohstoffen dort zu regeln.

In oft Tausenden Metern Tiefe unter der Oberfläche besonders des Pazifiks, aber auch des Indischen Ozeans und des Atlantiks finden sich gewaltige Ablagerungen von Metallen wie Kobalt, Kupfer, Nickel und Mangan, die für die Energiewende unverzichtbar sind und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten von der Industrie in rasant wachsenden Mengen benötigt werden. Moderne Technologien – ferngesteuerte Roboter etwa – ermöglichen es mittlerweile, sie profitabel abzubauen. Das weckt Begehrlichkeiten.

Erste Schritte sind schon getan: Die Erkundung der Rohstoffvorräte – Voraussetzung für die spätere Ausbeutung – läuft auf vollen Touren. Die ISA hat dazu einen Kodex erstellt und seit dem Jahr 2001 insgesamt 31 Lizenzen an 22 Staaten und Unternehmen vergeben. Drei hält etwa die Regierung Südkoreas, zwei die Regierung Indiens; je zwei haben das staatliche Institut français de recherche pour l’exploitation de la mer (Ifremer) und die bundeseigene Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) erhalten.

Spitzenreiter ist China, das bereits über fünf Lizenzen verfügt. Nicht beteiligt sind bislang die USA: Die ISA, deren Existenz im UN-Seerechtsübereinkommen (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS) verankert ist, vergibt Lizenzen nur an ihre 167 Mitgliedstaaten; die USA, die das UNCLOS nicht ratifiziert haben, zählen nicht dazu. Im März forderten rund 350 US-Diplomaten und -Militärs den Senat in einem Schreiben auf, die Ratifizierung doch endlich nachzuholen: Die Rohstoffe dürfe man sich nicht entgehen lassen.

Kommt es nach der Erkundung nun auch zur Ausbeutung der Metallvorkommen auf dem Meeresboden, auf die die Erkundung ja zielt? Die Debatte kocht seit geraumer Zeit hoch. Es gibt gewichtige Einwände. Untersuchungen haben gezeigt, dass dort, wo Erkundungen stattfinden, die Zahl der Lebewesen sinkt. Niemand weiß, welche Folgen das in den komplexen, bisher wenig bekannten Lebenswelten in Tausenden Metern Tiefe hat.

Im vergangenen Jahr entdeckten Forscher in der Clarion-Clipperton-Bruchzone, einem riesigen, metallreichen Seegebiet westlich Mexikos, in dem fleißig erkundet wird, rund 5.000 bislang unbekannte Arten. Wechselwirkungen, die durch den Rohstoffabbau hervorgerufen werden, und Folgeschäden sind nicht abzusehen. Aktuell diskutiert die ISA einen Kodex, der nicht mehr nur für die Erkundung, sondern für die industrielle Ausbeutung der Rohstoffe gelten soll. Wegen der möglichen Umweltschäden fordern rund 30 Staaten mittlerweile ein Moratorium, darunter die Bundesrepublik.

Dabei drängt die Zeit. Das in Kanada ansässige Unternehmen The Metals Company, das in Kooperation mit dem Pazifikstaat Nauru Erkundungen in der Clarion-Clipperton-Bruchzone betreibt, hat angekündigt, noch in diesem Jahr die Erlaubnis zur Rohstoffförderung in aller Form zu beantragen. Dann muss entschieden werden. Als ISA-Generalsekretär amtiert seit 2016 der Brite Michael Lodge, ein entschiedener Befürworter des Tiefseebergbaus. Lodge ist 2018 auf einem Werbevideo der Metals Company zu sehen gewesen – mit einem Helm, der den Schriftzug »Deep Green« trägt; »Deep Green« war der damalige Name der heutigen Metals Company.

Bei der Wahl des Generalsekretärs am Freitag wird Leticia Carvalho gegen Lodge kandidieren; die Brasilianerin, aktuell Hauptkoordinatorin in der Meeres- und Süßwasserabteilung des UN-Umweltprogramms, spricht sich nicht generell gegen jeglichen Tiefseebergbau aus, aber für eine sorgsame Reglementierung und Kontrolle. Es steht also wohl die Entscheidung über einen schnellen oder einen behutsamen Einstieg in die Ausbeutung der Rohstoffvorkommen im Meeresboden an.

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