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Aus: Ausgabe vom 31.07.2024, Seite 16 / Sport

Treppchenprognose

Von André Dahlmeyer
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Skandalspiel: Argentinien gegen Marokko (24.7.2024)

Einen wunderschönen guten Morgen! Nach dem Skandalspiel zum Auftakt des olympischen Fußballturniers der Männer zwischen Argentinien und Marokko (1:2) habe ich meine Treppchenprognose über den Haufen geworfen. Vor Olympia hielt ich es praktisch für unmöglich, dass die U23 der Asterixe den Titel im eigenen Land nicht eintüten würde. Den Weltfußball beherrschen sie quasi seit sieben, acht Jahren auf ihre Weise, sie haben das nötige Kleingeld für sowas, und, was hilfreich sein kann, mannigfaltiges Talent.

Wir erinnern uns: Argentinien wurde 2018 in Russland nicht Weltmeister, weil es erst gegen Kroatien (späterer Vizeweltmeister) und dann gegen Frankreich (späterer Weltmeister) verlor. In Katar kreuzten sich, oh Wink des Schicksals, die Wege erneut. Argentinien deklassierte im Halbfinale Kroatien und spielte im Finale Frankreich an die Wand. In den beiden WM-Matches zwischen Argentinien und Frankreich fielen insgesamt 13 Tore (plus Penaltyballern), Rivalität schreibt sich exakt so. 1986 und 1990 kickten Argentinien und Deutschland zwei WM-Finals gegeneinander (Bilardo vs. Beckenbauer), bei denen insgesamt sechs Tore fielen. Das von Rom war gruselig schlecht. Was mich anbelangt, ich habe an diesem Tag eine Anti-WM-Finale-Anti-Fußball-Lesung gemacht. Auf dem Flyer war der in Singapur geborene und damals für die Glasgow Rangers auflaufende, blutüberströmte Terry Butcher im entscheidenden WM-Quali-Match gegen die Schweden zu sehen. Nach dem WM-Finale versank die Innenstadt Braunschweigs knöcheltief in Scherben. Westdeutsche feiern komisch.

Bei den europäischen Berichten über Gesänge argentinischer Spieler gegen schwarze Kicker der Équipe nach dem Copa-América-Gewinn wurde übrigens der kulturelle Faktor ignoriert. Den bekam einst bereits Lothar Matthäus als Trainer des brasilianischen Klubs Athletico Paranaense zu spüren. Er wurde für respektloses und rassistisches Verhalten an der Kalklinie empfindlich gesperrt, ging auf Heimaturlaub, kam nicht wieder und hinterließ dem Verein eine astronomische Handyrechnung. Später war er dann beim argentinischen Racing Club aus dem Conurbano von Buenos Aires im Gespräch. Genaugenommen nicht im Gespräch, er hatte sogar zugesagt, aber dann steckte ihm jemand (ich weiß, wer), dass das dort in Argentinien ähnlich schieflaufen könnte bei Loddar, weil er einfach keine Idee vom Leben dort hatte, Tinder gabs noch nicht. Vergessen hat man in Europa ganz gewiss auch, dass Kylian Mbappé Anfang 2022 im brasilianischen Fernsehen erklärte, dass die Latinos kein Talent hätten und daher auch nie wieder Fußballweltmeister werden würde. Er lag knapp daneben. Meine Treppchenprognose können Sie sich denken.

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