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Aus: Ausgabe vom 02.08.2024, Seite 5 / Inland
Mietwohnungsmarkt

Vonovias PR-Nummer

Größter privater BRD-Immokonzern wähnt sich aus Krise, reduziert ein bisschen Schuldenlast – und vertickt fleißig Wohnraum
Von Oliver Rast
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Keine Rendite mit der Miete: Protestler im Ganzkörperkostüm (Berlin, 1.6.2024)

Na, das ist ja schön. Schön für die größte, private Immobilienfirma der BRD, Vonovia; speziell für deren Boss Rolf Buch. Das Kerngeschäft sei gesund, der Wohnraum faktisch voll vermietet, die Zufriedenheit der Mieter hoch, verlautbarte die Bochumer Konzernzentrale am Donnerstag per Mitteilung. Buch: Das Bewertungsergebnis zeige, »Vonovia hat die Krise hinter sich gelassen und in einem herausfordernden Umfeld erneut eine solide Leistung gezeigt.« Denn die Neubewertung des Portfolios liege mit 82,5 Milliarden Euro nur noch leicht unter dem Niveau vom Jahresende 2023. Und: Im ersten Halbjahr schrieb Vonovia unter dem Strich einen Fehlbetrag von 529 Millionen Euro – vor Jahresfrist waren es noch 4,1 Milliarden Euro. Der Immomarkt helle sich auf. Geht doch.

Nicht nur das: Es gebe richtig Rückenwind bei den »gesellschaftlichen Megatrends Urbanisierung, demographischer Wandel und Klimawandel«. Das bedeute ferner, dass nach Abschluss des Verkaufsprogramms wieder von Stabilisierung auf Wachstum umgeschaltet werden könne. »Spätestens ab 2025«, prognostiziert Buch.

Apropos Verkäufe aus dem Bestand. Vonovia verfügt über rund 543.000 Wohnungen, berichtete die Wirtschaftswoche am Donnerstag online. Buch & Co. versuchen seit rund anderthalb Jahren, Wohnraum zu verticken, möglichst im Paket, möglichst über Buchwert. Im laufenden Jahr sollen so drei Milliarden Euro zusammenkommen, um den riesigen Schuldenberg von circa 40 Milliarden Euro abzutragen. Ein Stück zumindest. Etwa 1,5 Milliarden seien bis Jahresmitte eingespielt worden. Beispiel: Knapp 2.000 Wohnungen habe der Konzern im Großraum Frankfurt am Main und im Rhein-Main-Gebiet verkauft, steht in der Mitteilung. Erst kürzlich hatte die Frankfurter SPD die Stadtoberen aufgefordert, Wohnungen von Vonovia zu übernehmen, hieß es in der FAZ.

Und, hat die Kommune, hat die Stadt gekauft? »Wir wollen der Mieterkommunikation nicht vorgreifen«, sagte Vonovia-Medienchefin Nina Henckel ausweichend am Donnerstag im jW-Gespräch. Weitere Informationen werde es hierzu nicht geben. Zunächst jedenfalls.

Eine weitere Erfolgsmeldung: Der Leerstand bei Vonovia bleibe mit 2,2 Prozent unverändert auf Vollvermietungsniveau. Pardon, Vollvermietungsniveau? Ein Prozentsatz, der »angesichts des knappen Angebots an bezahlbarem und freiem Wohnraum fast zynisch ist«, so Katrin Schmidberger (Bündnis 90/Die Grünen) gegenüber jW. Die wohnungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus rechnet das auf alle Vermieter Berlins hoch. In Zahlen: 40.700 Bleiben sind leer.

Überhaupt, was es nicht alles gibt an statistischem Firlefanz. Etwa den Kundenzufriedenheitsindex CSI. Der habe im ersten Halbjahr um 3,5 Prozentpunkte über dem Wert des Gesamtjahres 2023 gelegen. Vonovia-Pressestab: »Allein im 2. Quartal 2024 ist die Kundenzufriedenheit um 6,9 Prozentpunkte besser als der durchschnittliche Vorjahreswert.« Einigermaßen überraschend ob der jüngsten Schlagzeilen wegen erhöhter Heizkostenabrechnungen besonders in Ballungszentren. Betroffen waren beispielsweise Berliner Mieter der Eisenbahnsiedlung Baumschulenweg in Treptow-Köpenick, die mit Fernwärme versorgt wird, hatte der RBB im März berichtet. Vonovia war gezwungen, zahlreiche fehlerhafte Zahlungsforderungen »deutlich nach unten zu korrigieren«.

Das juckt Inhaber von Anteilsscheinen des Unternehmens aus Bochum wenig. Im Jargon des Börsenparketts: Die Vonovia-Aktie habe auf Aussagen Buchs vom Donnerstag »freundlich reagiert«, meldete das Onlineportal ­Finanzen.net. »Im XETRA-Handel gewinnt die Aktie zeitweise 3,03 Prozent auf 29,27 Euro.« Na, das ist doch schön. Oder: eine schmucke PR-Nummer vom Immoboss.

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