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Aus: Ausgabe vom 06.08.2024, Seite 5 / Inland
Halbleiterindustrie

Jobkiller Infineon

Chiphersteller aus Bayern will rund 2.800 Arbeitsplätze streichen bzw. ins Ausland verlagern. Belegschaftsversammlungen in München und Regensburg
Von Oliver Rast
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Arbeitsstellen: Müssen zahlreiche Beschäftigte des Techunternehmens bald den Ausgang nehmen? (Dresden, 2.5.2023)

Es hatte sich bereits angekündigt, jetzt ist die Katze aus dem Sack: Der größte deutsche Chiphersteller Infineon killt Jobs – und zwar nicht zu knapp. Rund 1.400 Arbeitsplätze sollen wegfallen, teilweise hierzulande, verkündete das Management am Montag morgen in einer Telefonkonferenz mit Journalisten, so das Handelsblatt gleichentags. Nicht nur das: Infineon-Boss Jochen Hanebeck will zusätzlich etwa ebenso viele Stellen verlagern, in sogenannte Billiglohnländer. Damit dürften nach jW-Informationen Portugal und vor allem Malaysia gemeint sein.

Wie rechtfertigt der Techkonzern den Kahlschlag? So: Im abgelaufenen Quartal sei der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um neun Prozent eingebrochen. Der Gewinn habe sich dabei mehr als halbiert, heißt es seitens des Unternehmens mit Hauptsitz in Neubiberg im Landkreis München. Und: Infineon kämpfe mit großen Lagerbeständen seiner Kunden.

Keine ökonomische Besserung in Sicht, Herr Hanebeck? Wohl nicht. »Die Erholung in unseren Zielmärkten schreitet nur langsam voran. Angesichts der anhaltend schwachen gesamtwirtschaftlichen Dynamik überlagern die Bestände an vielen Stellen die Endnachfrage.« Ferner führe die Flaute zu Leerstandskosten durch nicht ausgelastete Anlagen und Fabriken von 800 Millionen Euro im laufenden Geschäftsjahr, ergänzte Finanzvorstand Sven Schneider. In einem Jahr mit normal laufenden Geschäften seien es 150 Millionen Euro.

Also, Infineon bleibt krisenhaft. Weiteres Indiz: Der Chiphersteller muss die Prognose für das Geschäftsjahr erneut senken. Hanebeck erwartet für das laufende Geschäftsjahr, das am 30. September endet, einen Umsatz von 15 Milliarden Euro. Um einiges weniger als Hanebeck noch im Frühjahr in Aussicht gestellt – und bereits Anfang Mai prognostisch nach unten korrigiert hatte.

Bloß, welche Branche hemmt ein weiteres Wachstum der Halbleiterproduktion? Ganz klar, die elektromobile Autoindustrie: Die Neuzulassungen von E-Autos brachen im Juli im Vergleich zum Vorjahr um 36,8 Prozent ein, wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg am Montag mitteilte. Ein Abwärtstrend, der auf die Stimmung sensibler Anleger drückt, Skepsis gegenüber Infineon-Papieren also. Seit Jahresbeginn hätten die Aktien des Chipherstellers rund ein Fünftel an Wert verloren. »Der Dax hat demgegenüber etwa fünf Prozent zugelegt«, weiß dpa.

Wie reagieren Betriebsräte und Gewerkschafter der IG Metall? Sie mobilisieren. Am Montag nachmittag kam die Belegschaft im Infineon-Werk in München zusammen (nach jW-Redaktionsschluss), am Dienstag werden die Beschäftigten in Regensburger Werk nachziehen, erfuhr jW am Montag aus Metaller-Kreisen. Kolleginnen und Kollegen seien ob der neuen Hiobsbotschaften stark verunsichert. »Allerorts gespanntes Warten.« Zuvorderst in Regensburg, denn hier stehe eine »mittlere dreistellige Zahl« von Arbeitsplätzen zur Disposition. Das Verpacken der Chips an jenem Standort sei nicht wirtschaftlich, meinte Hanebeck. Die Fabrik in der Oberpfalz würde aber nicht dichtgemacht, versuchte der Firmenboss zu beruhigen. Und auch betriebsbedingte Kündigungen in der BRD schloss er aus. Die Abbaumaßnahmen seien »ein schwieriger Schritt«, aber unumgänglich. Leicht gemacht habe es sich das Management nicht.

Das Mitleid bei Rico Irmischer dürfte sich in Grenzen halten. Bereits Anfang Juli hatte der erste Bevollmächtigte der IG Metall in Regensburg und Infineon-Unternehmensbeauftragter in einem Statement gefordert: »Von ­Infineon erwarte ich, den allgemeinen Bekenntnissen zu den Standorten konkrete Taten folgen zu lassen. Mit Beschäftigungssicherung, Standortzusagen und einem Zukunftsbild der heimischen Standorte mit einem starken Backend in der Chipproduktion.«

Aber nicht nur bei Infineon schlüpft die Katze aus dem Sack, auch beim Branchenpionier Intel. Rund 15.000 Arbeitsplätze – etwa 15 Prozent der Belegschaft – will Intel-Chef Patrick Gelsinger streichen, hatte er am vergangenen Freitag den Beschäftigten geschrieben.

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