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Aus: Ausgabe vom 06.08.2024, Seite 16 / Sport
Olympia

Khelifs Appell

Olympisches Boxturnier: Algerische Faustkämpferin fordert nach tagelangem Kesseltreiben ein Ende von Spaltung und Mobbing. Ein Aufruf, der nach »neuen Befunden« verhallen dürfte
Von Oliver Rast
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Treffsicher: Imane Khelif (l.) punktet kräftig gegen die Ungarin Luca Hámori im Viertelfinale (Paris, 3.8.2024)

Jetzt kontert sie, nicht nur im Ring, auch außerhalb: Imane Khelif. Die Boxerin aus Algerien. Die Weltergewichtlerin (bis 66 Kilogramm) ist am Sonnabend gegen die Ungarin Anna Luca Hamori ins Olympiahalbfinale in Paris eingezogen. Wenige Stunden danach wandte sie sich nach tagelangem Kesseltreiben wegen ihrer (möglichen) Intersexualität an die Öffentlichkeit – und sagte im Interview mit dem somalischen Sender SNTV: »Das verletzt die Menschenwürde.« Mehr noch, Khelif appellierte: »Ich sende eine Botschaft an alle Menschen auf der Welt, die olympischen Prinzipien und die olympische Charta hochzuhalten und keine Athletinnen und Athleten zu schikanieren.« Denn das habe starke Auswirkungen. Anfeindungen, wie sie sie erlebt habe, könnten »Menschen zerstören, es kann die Gedanken, den Geist und den Verstand der Menschen töten«. Deshalb, Schluss mit der Spaltung, Schluss mit dem Mobbing.

Ein Aufruf, der folgenlos verhallen dürfte. Dafür spricht der Inhalt eines Briefes der International Boxing Association (IBA) vom Juni 2023 an das Internationale Olympische Komitee (IOC). Dessen Inhalt wurde erst am Samstag abend durch das britische Onlineportal »3 Wire Sports« bekannt. Warum die Brisanz? Wegen der Gründe der Disqualifizierung von Khelif und Lin Yu Ting aus Taiwan während der Weltmeisterschaft (WM) der Frauen im März 2023 in Neu-Delhi. Gründe, die bislang nicht schwarz auf weiß vorlagen, über die aber seit Tagen munter spekuliert wird.

Laut der WM-Ausrichterin IBA hätten Geschlechtstests bei Khelif und Lin Verstöße gegen IBA-Regeln belegt. Während der WM in Indien, ferner jene ein Jahr zuvor in der Türkei. Den Laborberichten zufolge hätten beide Athletinnen XY-Chromosomen und wären nach der IBA-Interpretation »männlich« und »Männer« – ergo nicht startberechtigt gewesen.

Khelif, so die IBA, habe zunächst Berufung beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) eingelegt, die Klage jedoch zurückgezogen, »wodurch die Entscheidung der IBA auch rechtskräftig wurde«. Lin habe auf das Klagen hingegen von Beginn an verzichtet. Damit sei der Verbandsentscheid gleichfalls rechtskräftig. Hinzu kommt: Das IOC habe auf den Brief der IBA nicht reagiert, ein »formelles, technisches Treffen«, um »die notwendigen Schritte zu besprechen«, ausgeschlagen.

Definitive Befunde, rechtliches Eingeständnis? Für Kritikerinnen und Kritiker von Khelif und Lin ist beides glasklar. Sie nehmen das IBA-Schreiben gewissermaßen als Blaupause, um den Boxerinnen im Sinne von »Save Women’s Sports« das Frausein abzusprechen. Und nicht zuletzt wird die Forderung immer lauter, das Duo vom olympischen Boxturnier auszuschließen. Aber: Schluss mit Spaltung, Schluss mit Mobbing? Wohl eher nicht.

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