Bahn kreist um Überlastung
Von David MaiwaldDie Deutsche Bahn richtet sich in der Überlastung ein. Nachdem die Süddeutsche Zeitung am Montag über Frustration der Bahn-Beschäftigten in internen Chats berichtet hatte, bekräftigte Claus Weselsky dort am Mittwoch seine Kritik an Stellenstreichungen beim Staatskonzern. Die »wahren Einsparungen«, so der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL, fänden »im operativen Bereich« statt. »So ist es immer.« Grundsätzlich findet der Gewerkschafter einen Stellenabbau in Ordnung, »aber nicht so, wie er jetzt stattfindet«. Bahn-Chef Richard Lutz und Finanzvorstand Levin Holle hatten Ende Juli die Kürzung von 30.000 Jobs in den kommenden fünf Jahren angekündigt. Vor allem in der Verwaltung schon 1.500 bis Ende des Jahres.
Man unterstütze Stellenabbau »in der aufgeblähten Verwaltung, definitiv«, und nicht nur das: Eine Jobkürzung sei dort sogar »unabdingbar, weil die Leute dort vor allem mit sich selbst beschäftigt sind«, präzisierte die GDL am Mittwoch auf jW-Anfrage die Äußerungen ihres Vorsitzenden. Konzernführung und -eigentümer hätten die Entwicklung »jahrelang sehenden Auges hingenommen und den Kollegen an der Basis zugemutet, mehr zu arbeiten«. Verwaltungsbeschäftigte hätten die Möglichkeit, durch Umschulungen in den operativen Bereich zu wechseln, um diesen zu stärken.
Dort ist der Unmut besonders groß, geht aus den Chatnachrichten hervor, die die Süddeutsche einsehen konnte. Es werde »jeden Tag schlimmer, und man ist immer mit weniger Personal auf den Zügen«, beschwerte sich demnach eine Bahn-Beschäftigte. »Viele Beschäftigte klagen über Stress und Überlastung, fühlen sich nicht wertgeschätzt«, bemerkte die Zeitung. Die Situation im Konzern ausbaden »musste schon immer die Basis«, so eine weitere Wortmeldung im Bericht. Der operative Bereich müsse gestärkt werden, erklärte auch der Vorstand der Bahngewerkschaft EVG, Frank Hauenstein, am Mittwoch auf jW-Anfrage: »Hierfür erwarten wir vom Konzernvorstand und auch vom Eigentümer endlich einen klaren Plan.« Die EVG hatte zum Monatsbeginn moniert, die Bahn wolle zukünftig im längsten Fernverkehrszug ICE 4 nur noch zwei Zugbegleiter »neben der Betriebssicherheit für die Anliegen von möglicherweise 900 Fahrgästen« verantwortlich machen.
Auch für die EVG spricht demzufolge »nichts« dagegen, Strukturen und Prozesse »auf den Prüfstand zu stellen«. Die Betriebsräte der Gewerkschaft würden aber genau hinsehen, dass Tarifverträge, »die Weiterbeschäftigung im Konzern und Qualifikationsmaßnahmen ermöglichen«, dabei eingehalten werden, so Hauenstein: »Für die EVG ist klar, dass das Personal nicht noch mehr belastet werden darf.« Die Beschäftigten arbeiteten bereits »hart an der Belastungsgrenze«. Die jahrelange Unterfinanzierung fordere nun ihren Tribut. Ohne klare Finanzierung, ohne eine leistungsfähige Schiene, »gibt es keine Verkehrswende«. Es scheint, als wolle das Bahn-Management den Personalnotstand nun als Zukunftsplan verkaufen. Der Plan der Ampelkoalition, den Verkehr auf der Schiene in der Bundesrepublik bis 2030 zu verdoppeln: Makulatur.
Das Deutschland-Ticket soll eigentlich bei der »Mobilitätswende« helfen. »Möglichst viele Menschen« seien dadurch »von Bus und Bahn zu überzeugen«, hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Sonntag gegenüber dpa erklärt. Doch der Plan dürfte nicht aufgehen, wenn »volle Züge, eingeschränkte Reisemöglichkeiten und Verspätungen« die Folge des gewünschten »Kundenansturms« sind: Der NDR berichtete am Montag angesichts der Situation im Nahverkehr von Mecklenburg-Vorpommern, die Bahn sei offenbar nicht auf die Ferienzeit im nördlichen Bundesland vorbereitet. Es fehle an Zügen und Personal, das Deutschland-Ticket erhöhe gleichzeitig die Nachfrage, erklärte Landesverkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) dem Bericht zufolge.
Keine gute Überzeugungsarbeit. Ein entsprechendes Beispiel für den bundesweiten Fernverkehr hatte die Deutsche Bahn zur Herrenfußballeuropameisterschaft im Juni und Juli gezeigt. Die wichtigen Sanierungen des Konzerns sind nun endlich angelaufen. Für Personal wie Fahrgäste dürften Streckensperrungen leider zunächst nur eines bedeuten: Überlastung.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 17.11.2023
Milder Streikherbst
- 28.12.2021
Konfliktstoff in der Weihnachtspost
- 08.10.2021
Bahn: EVG zieht nach
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Endlagersuche schier endlos
vom 08.08.2024 -
»Wir wollen ein Grundsatzurteil erstreiten«
vom 08.08.2024 -
Rekorde bei Obdachlosigkeit
vom 08.08.2024 -
Frontalangriff auf Wagenknecht
vom 08.08.2024 -
Übergriff nach Polizeimanier
vom 08.08.2024 -
Optimismus mit Umsatzeinbußen
vom 08.08.2024 -
»Vor allem trifft Hitze nicht alle gleich«
vom 08.08.2024