Gegründet 1947 Sa. / So., 02. / 3. November 2024, Nr. 256
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Aus: Ausgabe vom 10.08.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Potsdamer Disneyland

Zu jW vom 7.8.: »Sehnsuchtsort des Tages: Garnisonkirche Potsdam«

Ich habe das unwürdige Schauspiel der Wiedererrichtung dieses Bauwerks und aller anderen »Preußentempel« hier vor Ort seit 1990 mitverfolgt. Diejenigen, die für die Verschwendung von Steuergeldern für dieses historisch belastete Bauwerk votierten, sind zu einem überwiegenden Teil Potsdamer »Neubürger«. Viele, die hier geboren wurden oder den größten Teil ihres Lebens hier verbrachten, waren gegen diese geschichtsverherrlichende und geschichtsverklärende Kampagne. Aber der unselige Historismus, der die Geschichte dieses Landes ausblendet und nach 1990 um sich griff, hat mit Hilfe der etablierten Entscheider, vor allem der SPD, obsiegt.

Das Resultat, ein Disneyland aus ehemaligem Stadtschloss und einer Reihe von Gebäuden parallel zum Fluss, kann von jedem Touristen besichtigt werden. Die Garnisonkirche, Symbol des preußischen Militarismus und seit der 1933 dort zelebrierten Übergabe der Macht an den Naziführer Hitler auch Symbol des deutschen Faschismus, wurde durch angloamerikanische Bomber 1945 schwer beschädigt und daraufhin, auch aus historischen Gründen, abgerissen. Der Wiederaufbau passt in die heutige Zeit, in der geschichtsvergessene Politik vorherrscht und preußische Kriegsertüchtigung propagiert wird.

Rainer Erich Kral, Potsdam

Neuer Pfeil im Köcher

Zu jW vom 8.8.: »Frontalangriff auf Wagenknecht«

Da sind sie wieder – die alten Schlachtschiffe der sogenannten DDR-Bürgerrechtsbewegung. Diejenigen, die vor gut 35 Jahren in der DDR mit dem Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen« rumliefen und dafür eingesperrt wurden. Heute sind sie im Lager der Kriegstreiber. Und da muss natürlich gegen die Partei geschossen werden, die (…) ehrlichen Herzens für den Frieden eintritt. Man bemüht das Narrativ »putingesteuert«. Ein Sinneswandel? In der DDR war der Protest ja auch vor allem gegen die als Antwort auf den NATO-Doppelbeschluss stationierten SS-20-Raketen gerichtet – damals antisowjetisch, heute antirussisch. Also nichts geändert, die Gefahr kommt aus dem Osten, damals und heute.

Diese sogenannten Bürgerrechtler vergessen nur eines dabei: Der Artikel 1 der UN-Menschenrechtscharta sichert allen Menschen ein Leben in Frieden zu. Und dazu gehört sicher auch, dass man alles daran setzt, Kriege und bewaffnete Konflikte durch Verhandlungen zu beenden. Aber für Birthler und Co. gilt das offensichtlich nur, wenn die USA und ihre Vasallen es fordern. Wenn nicht, wird weiter geschossen. Gedächtnislücken bei den Unterzeichnern? Nein – Doppelzüngigkeit, Russophobie und die durch ihre »Leistungen« beim Niedergang der DDR durch den Westen gekaufte und damit tief verwurzelte Nibelungentreue zu BRD, EU und NATO.

Aber die Masken fallen langsam, aber sicher, wie immer vor Wahlen, bei denen progressive Forderungen in den Mittelpunkt rücken, die der herrschenden Klasse nicht passen. Früher war es die PDS bzw. die Partei Die Linke. Und nun hat man einen neuen Pfeil im Köcher – eben die »Kremlhörigkeit«, denn die »Stasikeule« ist nach 35 Jahren endlich im Orkus der Geschichte verschwunden (hoffentlich). Wer von einem putingesteuerten BSW spricht, sollte sich dann gefallen lassen, dass man als Gegenvorwurf von den »Washington-Gesteuerten« spricht …

Andreas Eichner, Schönefeld

Mehr als beängstigend

Zu jW vom 7.8.: »Hiroshima erinnert an ­Atombombenabwurf«

Vor 79 Jahren haben die Vereinigten Staaten von Amerika Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki geworfen, und die Welt ist dadurch nicht schlauer geworden, ganz im Gegenteil. Immer mehr Staaten sind im Besitz von Atomwaffen, und alleine die atomaren Supermächte USA und Russland haben so viele Atomwaffen, um den blauen Planeten vielfach zu vernichten.

In der heutigen Zeit wird wieder einmal in der BRD darüber schwadroniert, Mittelstreckenraketen der US-Streitkräfte zu stationieren, es sei dabei nicht zu vergessen, dass ohnehin schon Atomsprengköpfe hierzulande lagern. Die aktuelle weltpolitische Lage ist mehr als beängstigend, und eine atomare Eskalation ist bei weitem nicht vom Tisch.

Bei der heutigen Entwicklung erinnere ich mich an ein Lied von den Puhdys, »Das Buch«, mit der Textzeile: »Ein schwebendes Grab im All, auf dem keine Blume wächst / Die Kontinente geschmolzen, die Meere verbrannt / Ein schwarzer Stein, und welch bittere Ironie / Nicht eine einzige Waffe wird den toten Planeten mehr bedrohen!«

René Osselmann, Magdeburg

Miteinander statt übereinander

Zu jW vom 2.8.: »Journalist gegen ›Mörder‹«

Endlich wird geredet, verhandelt, und es werden Gefangene ausgetauscht. Es geht doch, da geht immer was, wenn der Wille da ist und wenn der Wille groß genug ist, etwas zu tun. Diese ständigen Animositäten, diese Borniertheit, diese Abneigung und diese Sturheit, diese Arroganz, dieser Hochmut und diese Überheblichkeiten, diese Selbstgerechtigkeit, diese Trotzköpfigkeit, dieser Eigensinn und diese Unnachgiebigkeit, diese Verbissenheit, diese Verbohrtheit, diese Selbstgefälligkeit, diese Geziertheit und diese Geckenhaftigkeit und immer dieses Rechthabenwollen, egal von welcher Seite das kommt, das sollte einfach nicht so sein.

Irgendwie ist das aber genau das Übel unserer Zeit, und da nehme ich mich auch nicht davon aus. Aber was ist zu tun? Vielleicht sollten wir uns doch wieder mehr zuhören und wieder mehr miteinander statt übereinander reden, das dürfte doch wirklich nicht so schwer sein!

Klaus P. Jaworek, Büchenbach

Der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisionkirche passt in die heutige Zeit, in der geschichtsvergessene Politik vorherrscht und preußische Kriegsertüchtigung propagiert wird.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!