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Aus: Ausgabe vom 14.08.2024, Seite 2 / Inland
Verkehrswende

»Dann sollen sie Autoteile essen«

Frankfurt am Main: Bürgerinitiative gegen weiteren Autobahnausbau, der Flächen für Landwirtschaft versiegelt. Ein Gespräch mit Hans Christoph Stoodt
Interview: Gitta Düperthal
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Bauernprotest gegen den Ausbau der A 5 bei Frankfurt am Main (26.1.2024)

Sie sind gegen die aktuellen Ausbaupläne für die A 5 von Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP und dem hessischen Verkehrsminister Kaweh Mansoori von der SPD. Was planen die beiden?

Der hessische Verkehrsminister möchte, von Friedberg bis zum Frankfurter Kreuz 30 km Autobahn durchgehend zehnspurig ausbauen, plus zwei Standstreifen, also zwölfspurig. Das Ganze soll durch eine »Einhausung«, quasi wie mit einem auf den Boden gestellten Tunnel, komplett überbaut werden. Das Bauwerk wird dadurch breiter. Die sogenannte Machbarkeitsstudie, deren Veröffentlichung wir herausgeklagt haben, schätzt die Kosten für den Bau auf etwa 1,2 Milliarden Euro; explizit ohne Kosten für die »Einhausung«. Mansoori hatte mit Schreiben vom 9. Februar den Bundesverkehrsminister sogar gebeten, den Ausbau im beschleunigten Verfahren zu machen. Was weniger Einspruchsrecht für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Das ganze Projekt könnte sonst an den Kosten scheitern, so verkauft er es augenzwinkernd. Er hat offenbar die Vorstellung, er könne das diktieren.

Woher nimmt Mansoori seinen Optimismus? Die FDP hat aktuell beschlossen, sich als »Autopartei« profilieren zu wollen.

Allerdings, das sogar auf Kosten einer funktionierenden Bahn. Wir machen deutlich: Bei einer weiteren Klimaerwärmung und Versiegelung von Flächen wird aufgrund von Trockenheit auch hier mutmaßlich keine Landwirtschaft mehr möglich sein. Wenn Finanzminister Christian Lindner, Bundesverkehrsminister Wissing und sein hessischer Kollege Mansoori das in Kauf nehmen wollen, dann sollen sie von mir aus Autoteile essen. Aber der Bevölkerung ist das nicht zuzumuten.

Was bedeuten die Pläne konkret für die betroffenen Menschen?

Ungefähr zwölf Kleingartenvereine, zwei Sportplätze, ein europäisches Vogelschutzgebiet, ein Trinkwasserschutzgebiet im Schwanheimer Wald und Wohnflächen für Menschen, die dort entlang der Autobahn leben, wären noch stärker als bisher schon in Mitleidenschaft gezogen. Eine dicke Mauer würde mitten durch Frankfurt führen. Der ökologische Fußabdruck des gesamten Bauprojekts mit Tonnen von Stahlbeton ist in der »Machbarkeitsstudie« nicht mal erwähnt. Mansoori könnte einfach nein zum Projekt sagen, so wie es der Magistrat der Stadt Frankfurt am Main tut.

Was genau versprechen sich Befürworter der Autobahn in der Region davon?

Die tun so, als gäbe es quasi ein Naturgesetz, dass man mehr Autobahnflächen braucht. Menschen, die jetzt schon extrem unter dem Lärm der A 5 leiden, und seit 30 Jahren um Lärmschutz kämpfen, verspricht man: Wenn jetzt ausgebaut wird, bekommt ihr ihn. Wie zynisch das ist, brauche ich wohl nicht zu sagen. Vermutlich ist der Grund auch banaler: Hätte Mansoori gesagt, er wolle die Autobahn nicht, wäre er in der CDU/SPD-Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Boris Rhein von der CDU nicht Verkehrsminister geworden.

Wie viele Menschen in und um Frankfurt herum sind gegen den Ausbau?

Selbst die CDU im Frankfurter Westen ist gegen die Autobahnpläne. Das sagt schon alles.

Was daran liegen mag, dass der Autobahnlärm vor ihren Vorgärten nicht endet. Ist man dort aktiv, es zu verhindern?

Bevor die neue Landesregierung Ende 2023 gewählt wurde, hatte sie uns einen Brief geschrieben, dass sie an unserer Seite wäre. Danach war nichts mehr zu hören.

Ist es schwierig, Protest zu organisieren?

Nein, gar nicht. Wir haben schon viel erreicht. Die lokale Presse berichtet teilweise kritisch zum Ausbau, international wird in Großbritannien, Belgien, Niederlanden und in Frankreich über das absurde Projekt berichtet. Die Bürgerinitiative »Es ist zu laut« wird am 14. September gemeinsam mit vielen Natur-, Klimaschutz und Verkehrswendeinitiativen eine Stellungnahme zur »Machbarkeitsstudie« der Erweiterung vorlegen. Am 29. September wird das Bündnis eine Fahrraddemo auf der A 5 machen. Wir fordern: keinerlei Ausbau!

Hans Christoph Stoodt ist Mitglied der ­Bürgerinitiative »Es ist zu laut«

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