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Aus: Ausgabe vom 14.08.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Bilateraler Handel

Bangladesch auf Distanz zu Indien

Grenze wieder geöffnet, aber Freihandelsabkommen auf Eis. Verhältnis zum großen Nachbarn abgekühlt
Von Thomas Berger
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Die Öffnung der Grenze ist vor allem für Unternehmen eine Erleichterung

Eine Woche nach dem Höhepunkt der Unruhen in Bangladesch ist die zwischenzeitlich geschlossene Grenze zu Indien zwar wieder geöffnet. Aber noch ist längst nicht wieder alles wie vor den turbulenten Ereignissen in Dhaka, die am 5. August in Rücktritt und Flucht der ehemaligen Premierministerin Scheich Hasina gipfelten. Die Wiederöffnung der Grenze ist dabei besonders für Unternehmen im großen Nachbarland eine gute Nachricht. Exportorientierte Kleingewerbetreibende und Konzerne reagierten erleichtert.

»Die politischen Unruhen in Bangladesch werden Unsicherheiten für Exporteure mit sich bringen. Auch die Risiken für Investoren werden deutlich größer«, hatte Arpita Mukherjee, Professorin beim Indian Council for Research on International Economic Relations (ICRIER), am Tag nach dem Sturz Hasinas gegenüber dem Business Standard erklärt. »Die Ausfuhren sind zum Stillstand gekommen. Viele Trucks stecken fest, und auch der Grenzverkehr von Leuten mit Visa ist fast zum Erliegen gekommen«, beschrieb etwa zeitgleich ein Exporteur an der Grenze gegenüber dem Fernsehsender NDTV die Lage. Der rege Handel zwischen den Nachbarn »hängt in der Schwebe«, hieß es im Wirtschaftsblatt Mint. Ähnlich äußerten sich andere indischen Medien nach dem Rücktritt der Premierministerin, die für eine besonders enge Bindung an Indien stand. Es ist erst wenige Wochen her, dass Hasina nach der Wiederwahl von Amtskollege Narendra Modi zum Antrittsbesuch im Nachbarland weilte.

In ihrer Regierungszeit hatten sich die Beziehungen generell gut entwickelt, der bilaterale Handel florierte. Im vergangenen Jahr wurden Waren im Gesamtwert von knapp 13 Milliarden US-Dollar über die Grenze transportiert – mit einem deutlichen Bilanzüberschuss zugunsten der indischen Exporteure. Trotz wieder geöffneter Grenze könnte sich das Verhältnis mit einer neuen Regierung in Dhaka nun deutlich abkühlen, gab Business Today eine vom Finanzministerium in Delhi geäußerte Sorge wieder.

Noch am 8. August hatte Ajay Sahai, Generaldirektor des Dachverbandes Federation of Indian Export Organisations (FIEO), auf Folgen des unterbrochenen Warenverkehrs verwiesen. Vor allem leicht verderbliche Produkte mussten als Totalverlust abgeschrieben werden. Bangladesch ist Indiens größter Handelspartner auf dem Subkontinent und steht bei den Zielländern der Exporte auf Platz vier. Nur weil es dem kleinen Nachbarn zuletzt an Devisen mangelte, gingen die Einfuhren leicht zurück. Importe von Zwiebeln, Reis und Weizen, Tee und Autoteilen, Treibstoff und anderen Energieträgern sind für die Versorgung der Bevölkerung und das Funktionieren der Gesamtwirtschaft in Bangladesch gleichwohl unerlässlich.

In Gegenrichtung liefert der kleinere Partner vor allem Textil- und Lederwaren nach Indien, 2023 im Gesamtwert von 1,8 Milliarden US-Dollar. Erstaunlich unbeeindruckt zeigte sich in den vergangenen Tagen allerdings Indiens Baumwollindustrie, die im großen Stil die Rohbaumwolle für Bangladeschs Textilbranche liefert. Allein in der aktuellen Saison (bis September) würden 2,8 Millionen 175-Kilo-Ballen ins Nachbarland exportiert, so Atul Ganatra, Chef der Cotton Association of India, gegenüber Al-Dschasira.

Zuletzt hatte Hasina im Juni um indische Investoren geworben und ihnen mit Verweis auf 100 geplante Sonderwirtschaftszonen den roten Teppich ausgerollt. Was diese Versprechen angeht, wird die Zurückhaltung in nächster Zeit groß sein. Angesichts der noch fragilen Lage in Bangladesch mit ungewissem Ausgang des Neustarts dürften Investoren, nicht nur aus Indien, vorerst abwarten. Auch das Freihandelsabkommen, das seit 2023 bilateral verhandelt wurde, ist nun erst einmal auf Eis gelegt. Die Übergangsregierung in Dhaka muss unter Zeitdruck Wahlen vorbereiten. Außerdem ist ihr Mandat beschränkt. Generell dürfte sich das Verhältnis zwischen den Nachbarn unter Bangladeschs Interimschef Muhammad Yunus spürbar abkühlen, da sind sich die meisten Beobachter dieser Tage einig.

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