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Aus: Ausgabe vom 14.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
jW-Maigalerie

Kein Kind von Traurigkeit

Die jW-Maigalerie erinnert an den Schriftsteller Erich Mühsam
Von Norman Philippen
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Erich Mühsam (6. April 1878 – 10. Juli 1934)

Anders als so viele der zwecks allzeit nötiger Neuerung mit Umwertung bis Umwerfung Beauftragten des deutschen Kulturlebens liebte der Menschenfreund Erich Mühsam (1878–1934) das Leben samt der Lebenden wahrhaftig. Er hatte Humor, machte Furor auch um des Festes willen, das das Am-Leben-Sein allen bedeuten sollte, die es tatsächlich sind. Kein Kind von Traurigkeit, soff und zoffte, klaubte und abstaubte, suchte der viel Verruchte nach den Nischen, die das Leben bot und bietet. Er fand es, selbst um Kalauer nicht verlegen, zwischen den abgenudelten Stühlen. Anarchisten mochten ihn weiland nicht, weil er vermeintlich zu unernst umtrieb, Marxisten meinten in etwa nicht anders. Und die Nazis, nun ja: Oranienburg.

Erich (Kurt) Mühsams Texte boten Amüsement schon seit Zeiten, da er, selbst noch ein Kind, für die in Lübeck gastierenden Zirkusclowns satirische Texte schrieb. Als Belohnung für so viel frühes kritisches Verständnis, als Vorbotschaft für sein lebenslanges Engagement gegen philisternde Kleinbürger, wurde er wegen »sozialistischer Umtriebe« der Schule verwiesen. Kurzum: Der Erich war ein guter Mann.

Dass seine Texte sich nicht nur den damals zeitgenössischen Kabaretts anboten und er einst eine Nummer war ähnlich dem Barden Wedekind, sondern noch heute so gut funktionieren können wie anno mühsammals, das hat der in mühsämlich frohtrotzigen Trott tretende Ralf »Trotter« Schmidt schon reichlich belegt. Seit fünf Jahrzehnten mit dem Mühsamwerk vertraut, verfolgt er seit einigen Jahren das »Erich-Mühsam-Projekt« und singt zur Mundharmonika in Begleitung von Klavier, Gitarre, Viola.

Als sehenswerte Collage des einschlägigen Trotterschen Tuns entstand der Film »Der Mahner«. Darin Konzertmitschnitte, von heurigen Mühsammitstreitern Vorgetragenes, Spielfilmartiges, Interviewartiges (Tilly Wedekind etwa), engagiert Arrangiertes, Rezitiertes, Ringelnatzisches, Pazifistisches, Antifaschistisches und immer Lebensbejaherisches gegen die Wichte, die das Leben verzwergen. Die Collage wird am 15. August in der jW-Maigalerie gezeigt. Es folgt die musikalische Lesung mit Susanne Misere, Peter Bäß und, am Akkordeon, Isabel Neuenfeldt.

Da kann und sollte man mal hin, schon weil der Eintritt nicht nur zeigt, dass Eintretende weder lügen noch sich fügen wollen, sondern weil das Geld auch gleich an den Prozesskostenfonds junge Welt vs. Staat geht. Was dem Anarchisten Erich Mühsam sicher gut gefallen hätte.

Bis Donnerstag dann. Kommt ihr nicht, muss man sich dann mit Mühsam zurecht mühselig fragen »Wo bleibt ihr nur Genossen unsrer Zeit? … Kommt nie die Zeit, da ihr die Zeit begreift?« Unwahrscheinlich aber, dass es im »Café Größenwahn« der jW-Maigalerie so weit kommt. Die ist immer voll und wird es wieder. Denn gute jW-Leser kennen das Bonmot: Sonst tritt »aus finstern Kirchen euer Gott«. Und das will doch wohl keine(r).

»Sich fügen, heißt lügen.« Zum 90. Todestag von Erich Mühsam. Am Donnerstag, 15. August 2024, in der Maigalerie von junge Welt, Torstr. 6, 10119 Berlin. Eintritt: 15 Euro (erm. 10 Euro). Die Einnahmen gehen als Spende an den Prozesskostenfonds der jungen Welt. Beginn der Veranstaltung ist bereits um 17 Uhr, Einlass ist um 16.30 Uhr. Anmeldung erbeten unter maigalerie@jungewelt.de oder telefonisch: 0 30/53 63 55-54

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