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Aus: Ausgabe vom 15.08.2024, Seite 2 / Ausland
Kursk

Verhandlungen »auf Eis«

Kiew gibt an, russische Stadt in Kursk unter Kontrolle zu haben
Von Mawuena Martens
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Zerstörtes Wohnhaus in Kursk am Sonntag

Auch wenn Moskau Anfang der Woche erklärt hat, den ukrainischen Vormarsch auf die Grenzregion Kursk gestoppt zu haben, rücken die Truppen laut Kiew weiter vor. Am Mittwoch gab Armeechef Olexnder Sirskij bekannt, dass die Stadt Sudscha nun vollständig unter ukrainischer Kontrolle sei. Dies sagte er laut Reuters in einer Videokonferenz. Außerdem seien 100 russische Soldaten gefangengenommen worden. In der gleichen Konferenz gab Präsident Wolodimir Selenskij demnach an, seine Armee hätte binnen 24 Stunden ein bis zwei Kilometer in verschiedene Richtungen vordringen können.

In Sudscha verläuft die Pipeline, durch die Russland Gas aus Westsibirien in die Slowakei und andere EU-Länder liefert. Videos von ukrainischen Soldaten, die in der Stadt die blau-gelbe Flagge hissen sollen, kursierten im Netz. Aus Moskau gab es bis jW-Redaktionsschluss kein Dementi zu den Angaben aus Kiew, die Sprecherin des Außenministeriums erklärte hingegen: »Das Regime von Selenskij hat nicht sein eigentliches Ziel erreicht, nämlich Russland von Donbass und Sloboschanschtschyna abzulenken«, zitierte sie die russische Nachrichtenagentur TASS. Und weiter: Ukrainische Truppen in Kursk würden »entschieden zurückgedrängt«. Wie um ihre Stärke zu beweisen, erhöhte die russische Seite am Mittwoch ihre Angriffe in der Ostukraine. Dpa berichtete, dass diese besonders in der Nähe von Pokrowsk, etwa 60 Kilometer nordwestlich von Donezk, intensiv waren. Laut Ukrenergo wurden auch Energieanlagen im Norden und Süden angegriffen.

Ebenfalls am Mittwoch gab die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin, Irina Wereschtschuk, an, ihr Land wolle eine »Sicherheitszone« in der russischen Region errichten. Auf diese Weise sollten »humanitäre Hilfe« und ein »Fluchtkorridor« für Zivilisten entstehen, die entweder nach Russland oder in die Ukraine gelangen möchten.

Wegen des ukrainischen Angriffs auf Kursk ist das Thema Verhandlungen für Russland bis auf weiteres zurückgestellt. Mögliche Friedensgespräche seien »auf lange Sicht auf Eis gelegt«, sagte der Sondergesandte des Außenministeriums, Rodion Miroschnik, laut TASS am Mittwoch. Das von Selenskij proklamierte Ziel des Vorstoßes in Kursk, seine Position am Verhandlungstisch zu verbessern, ist damit zunichte gemacht.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (15. August 2024 um 14:49 Uhr)
    Es ist für den Laien eine undurchsichtige Situation. Wenn Russlands Armee nicht in absehbarer Zeit der Lage im Grenzgebiet zur Ukraine Herr wird, dann wäre das eine Blamage und ein indirekter Willkommensgruß für Eroberer jedweder Art. Es ist unverständlich, wieso die russische Armee bei der Befreiung der von der Ukraine besetzten, neuen Gebiete Fortschritte macht und sich andererseits schwertut, das alte Territorium wirksam zu verteidigen. Dass unter diesen Bedingungen Verhandlungen ausgeschlossen werden, ist nachvollziehbar.
  • Leserbrief von Volker Wirth aus Berlin (15. August 2024 um 12:54 Uhr)
    Wenn sogar der Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg, sagt, der russisch-ukrainische Krieg habe 2014 begonnen und die NATO (in der die Ukraine nach wie vor nicht Mitglied ist) habe sich seitdem dieser Lage angepasst, dann ist für jeden Unvoreingenommenen klar, dass es um einen lokalen bewaffneten Konflikt zwischen dem ukrainischen und dem russischen Nationalismus geht, in den sich der Westen »hineinhängt«. Der Kiewer Vorstoß ins Gebiet Kursk bestätigt das erneut.
    An diesem Teil der russisch-ukrainischen Grenze war es seit April 2022 fast ruhig. Im Gegensatz zur Nordgrenze des Gebietes Charkiw, an der es nach Angriffen auf Grenzorte des russischen Gebietes Belgorod zu Gegenangriffen und russischen Vorstößen über die Grenze kam. Das ist im ukrainischen Gebiet Sumy nun gleichfalls zu erwarten.
    Fazit: Eine Seite versucht, den Konflikt zu kanalisieren, einzudämmen, die andere will ihn immer weiter expandieren – und die westlichen »Verbündeten« immer mehr hineinzuziehen. Vor allem deren Streitkräfte. Und fast alle Regierungen sind nicht wirklich abgeneigt. Sie überlassen die Entscheidung faktisch dem Pentagon. Wie vor dem 24. Februar 2022 spekulieren sie darauf, dass »Putin das schon nicht wagen« werde. Extrem gefährlich.
    Zu den Spekulanten, die den Weltfrieden so leichtfertig aufs Spiel setzen, gehören leider sowohl die deutsche Ampelregierung als auch die angeblich »oppositionellen« Unionsparteien. Total im Schlepptau der USA! Beweis dafür auch die kampflose Akzeptanz der US-Stationierungspläne für Langstrecken- bzw. Hyperschallraketen auf deutschem Boden. Kein Wunder, dass zumindest die Ampelparteien einem Debakel bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg entgegengehen. (Leider glauben aber zu viele Unionspolitiker wie Kretzschmer, dass sie diesen gefährlichen Kurs verlassen können. Das wird ihnen nicht erlaubt sein.)
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (15. August 2024 um 10:47 Uhr)
    Sollte Donald Trump ab Januar 2025 wieder US-Präsident sein, könnten sich die in Russland getätigten Eroberungen noch als halbwegs nützlich für die Ukraine erweisen. Falls es Trump gelingt, einen Waffenstillstand zu erreichen, mit weiteren US-Waffenlieferungen an die Ukraine als Hebel gegenüber beiden Kriegsparteien, könnte es darauf hinauslaufen, dass die Ukraine den russischen Besitz all dessen vorläufig anerkennt, was es bis Februar 2022 bereits unter seiner Kontrolle hatte, einschließlich der Krim. Für die Herausgabe der Städte und Dörfer in Kursk durch die Ukraine müsste Russland dann aber vermutlich große Teile, wenn nicht alles, von dem zurückgeben, das es seit Kriegsbeginn erobert hat und besetzt hält. Die russische Bevölkerung würde dann fragen, wofür man überhaupt all diese Opfer erbracht hat, menschlich, wirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich, als Preis für diesen Krieg. Käme dann noch eine schwere Wirtschaftskrise in Russland hinzu, wäre das wohl das Ende von Putins Präsidentschaft. Dieses Szenario kann Russland noch vermeiden, wenn es seiner Armee gelingt, noch vor Jahresende den entscheidenden militärischen Durchbruch im Donbass zu erzielen. Im Moment ist es ein Wettlauf: Welche Seite wird als erste gezwungen sein, ihre Offensive einzustellen zugunsten der Verteidigung des eigenen Territoriums?

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