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Aus: Ausgabe vom 17.08.2024, Seite 2 / Ausland
Grundrechte in Paraguay

»Die Initiative verstößt gegen die Verfassung«

Paraguay: Neues Gesetz droht Rechte unabhängiger Organisationen zu beschneiden. Auch UN appelliert an Präsidenten. Ein Gespräch mit Oskar Rivas
Interview: Sara Meyer
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Vorbereitung auf den jährlichen Protestmarsch für Agrarreformen und Arbeit in Paraguay (Asuncion, 21.3.2019)

Die Regierung in Paraguay arbeitet gerade an einem Gesetz, das unter anderem die Rechte von Nichtregierungsorganisationen einschränken soll. Warum ist diese Initiative problematisch?

Das Vorhaben legt nicht genau fest, welches Verhalten sanktioniert wird oder wer der zuständige Richter sein wird. Es verletzt das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, das sowohl in der nationalen Verfassung als auch in der amerikanischen Menschenrechtskonvention verankert ist. Die Initiative sieht unverhältnismäßige wirtschaftliche Sanktionen vor, die bis zur Zahlung gigantischer Beträge reichen, was als einschüchternde Maßnahme verstanden wird, um die Teilnahme gemeinnütziger Organisationen am öffentlichen Raum zu hemmen.

Die Verhängung übermäßiger Bußgelder ist ausdrücklich durch die nationale Verfassung verboten. Das vorgeschlagene Gesetz steht aber auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und zu verschiedenen Berichten des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über die Rechte auf friedliche Versammlung und Vereinigung.

Welche Befugnisse will sich die Regierung mit dem Gesetz geben?

Es ermächtigt das Wirtschafts- und Finanzministerium, das Gesetz durchzusetzen, was zu einem willkürlichen Gebrauch der Exekutivgewalt führen könnte, um die Aktivitäten der Organisationen zu kontrollieren und einzuschränken. Die Verpflichtung, sich in ein nationales Register einzutragen und alle ihre Aktivitäten und Operationen detailliert darzulegen, wirft ebenfalls ernste Bedenken hinsichtlich der Verletzung der Privatsphäre, Meinungsfreiheit und Unabhängigkeit gemeinnütziger Organisationen auf.

Wie groß ist der Protest dagegen bislang?

Zahlreiche und vielfältige Aktionen werden von den Organisationen der Zivilgesellschaft unternommen, um sich gegen diese verfassungswidrige und illegitime gesetzgeberische Initiative des offiziellen politischen Blocks zu wehren. Die Besorgnis hat zu einer gemeinsamen Reaktion zahlreicher Organisationen geführt. Sie organisieren öffentliche Anhörungen und verbreiten Informationen in den sozialen Medien darüber, welche verheerenden Auswirkungen dieses Gesetz haben kann. Eine Arbeitsgruppe beantragte eine Diskussionsrunde bei den Behörden, um über die Initiative zu debattieren. Außerdem wurde beantragt, dass der Gesetzentwurf zur detaillierten Prüfung an die Verfassungskommission verwiesen wird.

Denken Sie, Präsident Santiago Peña wird einen entsprechenden Brief des UN-Menschenrechtsrats ernstnehmen und die Gesetzesinitiative überdenken?

Es ist schwer vorherzusagen, wie er auf den Brief reagieren wird. Allerdings kann die Intervention einer so wichtigen internationalen Organisation nicht einfach ignoriert werden, ohne die möglichen negativen politischen Auswirkungen zu berücksichtigen. Präsident Peña befindet sich in einem Dilemma: Wenn er die Empfehlungen der UNO ignoriert und das Gesetz vorantreibt, könnte er national und international wachsendem Druck ausgesetzt sein. Durch die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Brief und die Überprüfung des Entwurfs könnte er andererseits seine Verpflichtung zu demokratischen Prinzipien und Menschenrechten demonstrieren – was sein Ansehen im In- und Ausland stärken könnte.

Für welche Politik steht Peña?

Für eine Politik der Kriminalisierung sozialer Bewegungen und der Bauern, die ihre Landrechte verteidigen. Es gab mehrere Initiativen und konkrete Aktionen gegen soziale Bewegungen, indigene Gemeinschaften und die ländliche Bevölkerung, seit er die Präsidentschaft übernommen hat. Beispielsweise den gewaltsamen Räumungsversuch im Juli 2024 in Edelira, im Departement Itapúa, gegen Bauern, die umkämpftes Land besetzt hatten. Die Polizei zerstörte Häuser und Felder, und sie vertrieb zahlreiche Familien.

Welche Hürden muss das Gesetzesvorhaben noch nehmen?

Es liegt der Abgeordnetenkammer vor und steht bald zur Abstimmung im Plenum an. Die Proteste und der internationale Druck beeinflussen den Prozess. Organisationen und Abgeordnete, die sich für Demokratie und die uneingeschränkte Achtung der Verfassung einsetzen, arbeiten daran, dass der Gesetzentwurf fair bewertet und die Grundrechte respektiert werden.

Oskar Rivas ist Leiter der Organisation »Sobrevivencia – Amigos de la Tierra Paraguay« (Überleben – Freunde der Erde Paraguay)

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