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Aus: Ausgabe vom 17.08.2024, Seite 8 / Ansichten

Paper Town des Tages: Wittenberge

Von Felix Bartels
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Endstation Sehnsucht?

Vor drei Jahren machte die Prignitz von sich reden. Als dünnstbesiedeltes Gebiet in Deutschland. 35,3 Einwohner pro Quadratkilometer, knapp vor der Altmark um Salzwedel mit 35,7 und weit vor München mit 4.868. 2021 war das. Wo der Landkreis heute steht, lässt sich kaum sagen. Man kommt ja nicht hin. Die Züge rollen nicht mehr. Schuld hat, man ahnts, die Bahn.

Selbst Dichterspott gelangt da nicht hin. Anders als beim Kleinstaat Bückeburg, über den Heine schrieb, das halbe Fürstentum sei ihm beim Durchwandern am Stiefel klebengeblieben. Landmasse hat die Prignitz genug. Ein formidables Urlaubsgebiet könnte sie sein: die Elbe, die Mücken, die Ölmühle, sogar ein paar alte Kirchen wohnen hier. Unlängst wurde in Wittenberge noch Der Prignitzer verlegt, ein charmantes Lokalblatt, dessen Kreuzworträtsel geeignet war, die Zeit im traumhaften Ödland rumzubringen. Was aus ihm wurde, weiß man nicht. Wie gesagt: Man kommt nicht mehr hin.

Die Stadt ist auf bestem Weg, zur Paper Town zu werden, die nur auf der Landkarte existiert. Die Deutsche Bahn nämlich hat bekanntgegeben, dass die Strecke Berlin–Hamburg saniert werden muss. Die Verbindung werde zweimal für mehrere Monate unterbrochen, die erste Sperrung begann am Freitag und soll bis zum 14. Dezember dauern. »Unter anderem werden mehr als 74 Kilometer Gleise und 100 Weichen zwischen Wittenberge und Ludwigslust erneuert«, teilte das Unternehmen mit. Die wunderbare Stadt Wittenberge, die im Gegensatz zu ihrer Fast-Namenscousine keinen Luther braucht, um ihren Zauber zu entfalten, scheint damit von der Welt abgeschnitten. Wie das Märkische Viertel. Ein Regionalzug noch tuckert von Berlin aus, wer von Hamburg kommt, muss den Bus nehmen.

Doch schließen wir mit einem Blick auf die Sonnenseite. Was gar nicht erst fährt, kann wenigstens keine Verspätung haben.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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