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Aus: Ausgabe vom 21.08.2024, Seite 6 / Ausland
Gazaverhandlungen

Kein bisschen Frieden

Israelisch-palästinensischer Gefangenenaustausch praktisch unmöglich. Doha-Verhandler machen Hamas für Scheitern verantwortlich
Von Knut Mellenthin
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Bilder der israelischen Gefangenen an einer Hauswand in Tel Aviv (20.8.2024)

Nach der fragwürdigen Einigung zwischen US-Außenminister Antony Blinken und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu am Montag prangert die ­Biden-Administration nun die palästinensische Hamas als Alleinschuldige für das Scheitern einer Waffenstillstandsvereinbarung an. Eine entsprechende Erklärung zusammen mit den zwei anderen »Vermittlerstaaten« Katar und Ägypten soll noch in dieser Woche, vielleicht sogar schon an diesem Mittwoch unterschrieben werden. Außer einem großen Propagandaerfolg für Israel ist von diesem »diplomatischen« Schachzug nicht viel zu erwarten.

In der Hauptsache geht es nicht um eine Waffenstillstandsvereinbarung, sofern man darunter eine Beendigung des Krieges im Gazastreifen versteht, sondern um eine Fortsetzung des Gefangenenaustausches, dessen erster Teil im November 2023 begonnen hatte und der seither zum Stillstand gekommen ist. Damals hatten die Hamas und andere palästinensische Organisationen 105 der 251 Personen freigelassen, die bei dem Angriff auf israelisches Gebiet am 7. Oktober in den Gazastreifen entführt worden waren. Im Gegenzug hatte Israel 240 politisch bedeutungslose, geringfügig belastete palästinensische Gefangene übergeben, von denen drei Viertel wegen keines Verbrechens verurteilt worden und 107 erst zwischen 14 und 17 Jahren alt waren. Vier weitere Geiseln hatte die Hamas aus humanitären Gründen schon vorher freigegeben. Sieben Entführte wurden von israelischen Truppen gewaltsam befreit. Diese fanden im Gazastreifen außerdem die Leichen von 24 Geiseln. Drei von ihnen, die aus der Gefangenschaft geflüchtet waren, wurden irrtümlich von israelischen Soldaten erschossen, obwohl sie mit einer weißen Fahne unterwegs waren und auf hebräisch um Hilfe gerufen hatten.

Nach aktueller israelischer Zählung, die als sehr genau gelten kann, befinden sich noch 111 der am 7. Oktober Gefangengenommenen im Gazastreifen. In dieser Zahl inbegriffen sind nach Recherchen der israelischen Streitkräfte (IDF) bzw. nach palästinensischen Angaben wahrscheinlich 39 Tote. Demnach gibt es gegenwärtig im Gazastreifen nur noch maximal 72 lebende Geiseln, über deren Freilassung verhandelt werden kann.

Gemäß einem Vorschlag der US-Regierung vom 31. Mai, dem die Hamas und Israel ihren eigenen Erklärungen und Interpretationen zufolge zugestimmt hatten, soll der weitere Austausch nach einem Dreistufenplan stattfinden. In der ersten Phase würde die Hamas lediglich 33 Geiseln freilassen, und zwar alle Kinder und Jugendlichen, alle Alten und alle Frauen einschließlich der am 7. Oktober gefangengenommenen Soldatinnen. Im Gegenzug würde Israel 990 palästinensische Häftlinge entlassen, von denen viele in den Gazastreifen deportiert werden sollen. Darunter würde sich auch eine noch auszuhandelnde Zahl sogenannter Sicherheitsgefangener befinden. Für diesen Austausch müsste wie im November 2023 aus technischen Gründen eine Kampfpause vereinbart werden. Beim gegenwärtigen Stand der Verhandlungen geht es um sechs ­Wochen.

Mehr verbirgt sich nicht hinter dem Gerede der US-Regierung über einen Waffenstillstand. Die israelische Seite hält mit schonungsloser Eindeutigkeit daran fest, dass sie den Krieg weiterführen wird, bis sie ihr Hauptziel erreicht hat, das als »Ausschaltung«, »Zerstörung« oder »Vernichtung« der Hamas beschrieben wird. Das hat Netanjahu auch gegenüber Blinken bekräftigt. Jedenfalls steht es so in der Mitteilung seines Büros.

Die nächste Verhadlungsrunde würde auf jeden Fall sehr viel schwieriger. Dann würde es um die gefangenen Soldaten der IDF gehen, und auf der anderen Seite um hochrangige palästinensische Gefangene in israelischen Knästen. Darunter an erster Stelle der bei den Palästinensern laut Umfragen populärste Politiker Marwan Barghuthi, der im Juni 2004 zu fünf Mal lebenslanger Haft plus 40 Jahren verurteilt wurde.

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