75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Donnerstag, 19. September 2024, Nr. 219
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 21.08.2024, Seite 16 / Sport

Alain Delon und das Boxen

Von André Dahlmeyer
imago0016718485h.jpg
Ein ganzer Kerl: Boxpromoter Alain Delon (l.) und der kubanische Boxer Mantequilla Nápoles

Einen wunderschönen guten Morgen! Auf der Leinwand gab er den harten Typen. In Kassenerfolgen wie Jean-Pierre Melvilles Thriller »Le Samouraï« (»Der eiskalte Engel«, 1967) spielte Alain Delon den Auftragskiller Jeff Costello. Der Film zementierte Delons Image als Todesengel im Trenchcoat.

Delon wurde 1935 in Sceaux südwestlich von Paris geboren. Seine Pflegeeltern verunglückten, er wurde sechsmal der Schule verwiesen, beendete sie mit 14 und jobbte lieber als Metzgergehilfe, bevor er 1952 für fünf Jahre Marinesoldat wurde, aktiv am Indochinakrieg teilnahm, am Ende unehrenhaft entlassen wurde. Zurück in Paris malochte er auf dem Großmarkt Les Halles, trieb sich im Rotlichtmilieu herum.

Delons Zuneigung zur Welt der Gewalt, sein Faible für verqualmte Boxnächte und zwielichtige Geschäfte brachten ihn mit dem Argentinier Carlos Monzón zusammen, seit 1970 Boxweltmeister im Mittelgewicht. Der gab im Mai 1971 in Monte-Carlo dem Italiener Nino Benvenuti den Revanche­kampf um den Titel. In der dritten Runde gab Benvenuti auf. Im Publikum: Schürzenjäger Alain Delon. Der Franzose war fasziniert von der Kraft des Santafesinos, den er erstmals boxen sah. Zwei Jahre später war Delon, wieder in Monaco, Zeuge des dramatischen Siegs des Argentiniers gegen Emile Griffith, für Monzón die sechste Titelverteidigung und seine Eintrittskarte in den mundialen Jet-set. Als er dann auch noch den Franzosen Jean-Claude Bouttier, Freund des Schauspielers, im Revanchekampf erneut verkloppte, nahm Delon als Boxpromoter Monzón unter Vertrag. Schon beim nächsten Kampf in Paris vor 11.000 Zuschauern hieß es dann: »Alain Delon präsentiert: Carlos Monzón vs. Mantequilla Nápoles« (ein in Mexiko lebender Kubaner). Während Monzón, der als »El Macho« angekündigt wurde, den Ring betrat, erklang der Tango »Silencio« (Stille) von Carlos Gardel. 1975, als in Argentinien längst die Todesschwadronen wüteten, erschien in Frankreich das Buch »Ich, Carlos Monzón«, mit einem Vorwort von Alain Delon, beide waren längst Freunde. »Er ist Konquistador und Prinz, Dompteur und Bestie, Stiertöter und Kampfstier, Mensch und Tier. Carlos Monzón. Auf spanisch: El Macho!«, notierte der Bewunderer und Vermarkter Delon.

1977 trat der Konterboxer Monzón als amtierender Weltmeister zurück, ein Abgang durch die Vordertür. Vom Ring Magazine wurde er als zweitbester Mittelgewichtler aller Zeiten nach Sugar Ray Robinson prämiert. 1988 tötete er im Atlantikbadeort Mar del Plata seine uruguayische Frau Alicia Muñiz im Streit. Er boxte sie nieder, strangulierte sie und warf sie vom Balkon wie einen Sack Kartoffeln, wurde aber als Volksidol lediglich zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilt. In Frankreich verniedlichte Delon den brutalen Femizid gegenüber der argentinischen Illus­trierten Gente so: »Welcher Mann hat denn noch nie seine Frau geschlagen?« Im August 1993 besuchte Delon seinen Kumpel Monzón, den er als Bruder bezeichnete, im Knast von Las Flores, Santa Fe, der dort den längsten und schwierigsten Kampf seines Lebens bestritt: gegen sich selbst. 17 Jahre lang hatten sie sich nicht gesehen. Das Wiedersehen dauerte 40 Minuten, sie tranken Vino Tinto aus Glastassen. Anfang 1995 fuhr Monzón bei einem Hafturlaub sein Auto gegen einen Baum und starb. Er wollte es so.

Seit 1968 Delons jugoslawischer Leibwächter und Freund Stevan Markovič, mutmaßlich auch der Lover von Delons damaliger (und einziger) Ehefrau Nathalie Delon alias Francine Canovas, ermordet und auf einer Müllhalde gefunden wurde, war die Presse sich sicher: Delon spielt sich selbst. Erst 2021 räumte er ein: »Ich habe viele Kontakte zum organisierten Verbrechen gehabt, ich war dabei.« Politisch war der bekennende Schwulenhasser stramm rechts, frönte dem Front National, bezeichnete Jean-Marie Le Pen als engen Freund. Noch so einer. Alain Delon starb am Sonntag 88jährig in Douchy (Loiret).

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Mehr aus: Sport