Nichtprominente schreiben an Olaf Scholz
Am Sonntag veröffentlichten die Nachdenkseiten einen »offenen Brief von Nichtprominenten an den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland«, datiert vom 5. August. Er wurde von 50 Menschen der Jahrgänge 1938 bis 1958 aus Weimar, Berlin, Erfurt, Gera, Leipzig und Dresden unterzeichnet:
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir schreiben Ihnen als Angehörige einer Generation, die als Kinder noch die letzten Hungermonate des Zweiten Weltkrieges oder die Mangeljahre danach erlebt haben. Wir sehen noch unsere Väter vor uns und die vielen anderen Männer mit den amputierten Armen und Beinen. Wir sehen unsere Spielkameraden, deren Väter »im Krieg geblieben« waren. Wir erinnern uns an unsere Spiele in den Trümmern der Städte und an unsere durch Krieg und Flucht traumatisierten Eltern. Wir haben Angst!
Wir haben Angst, dass unsere Kinder und Enkel aus einem erneuten Weltkrieg ähnlich versehrt zurückkehren oder nie wieder nach Hause kommen, dass deren Kinder und Enkel wieder in Bombenkratern spielen. Wir haben Angst um unser Land! Wir sind aufgewachsen mit dem unabdingbaren Grundsatz »Nie wieder Krieg!«, einer Maxime, die selbst bei massiven Drohungen im »Kalten Krieg« zu diplomatischen Anstrengungen führte, den Frieden zu bewahren.
Herr Bundeskanzler, Sie haben versprochen, alles zu tun, dass Deutschland nicht in einen Krieg hineingezogen wird. Wir schätzen sehr, dass Sie bisher standhaft gegen eine Lieferung des »Taurus«-Marschflugkörpers geblieben sind und damit ihrem Versprechen folgen. Jetzt aber sollen als Drohung gegen Russland in der Bundesrepublik »weitreichende Waffensysteme« der USA stationiert werden – ohne Beschluss eines Verfassungsorgans und ohne dass die deutschen Bürger gefragt wurden. Es gibt nicht einmal einen NATO-Beschluss. Statt notwendiger Rüstungskontrolle steht nun ein neues Wettrüsten an – mit der Gefahr, dass Deutschland zum zentralen Kriegsschauplatz in Europa wird. Dass Sie als SPD-Politiker diese hochgefährliche USA-Entscheidung befürworten, macht uns fassungslos. Wir bitten Sie, kehren Sie zurück zum Friedenskurs von Willy Brandt! Gehen Sie alle diplomatischen Wege, die helfen, das Töten in der Ukraine und auf der Welt zu beenden. Setzen Sie auf den Ausgleich der Interessen, verbieten Sie deutsche Lieferungen von Waffen, die zu einem Weltkrieg führen könnten, verhindern Sie die Stationierung von USA-Langstreckenraketen in Deutschland! Seien Sie ein Friedenskanzler, wir bitten Sie!
Die Berliner Zeitung veröffentlichte am Sonnabend ein Interview mit Sahra Wagenknecht. Darin heißt es:
Sie selbst werden als Putin-Freundin und Stalinistin beschimpft, gelten als fremdenfeindlich, antiamerikanisch oder israelfeindlich. Trifft Sie das?
Natürlich berührt mich das. Bei den Menschen, die meine Bücher oder Positionen nicht im Detail kennen, bleibt da immer etwas hängen. Dass man in Deutschland als Stimme Russlands diffamiert wird, weil man für Diplomatie und Frieden wirbt, das ist krank. Plötzlich wird wieder hervorgekramt, dass ich mich in den 90er Jahren in der Kommunistischen Plattform engagiert habe. Oder dass ich 1989 der SED beigetreten bin. Wobei man natürlich verschweigt, dass ich in der DDR nicht studieren durfte, weil ich die Partei kritisiert hatte. (…) Die etablierten Parteien sind beunruhigt. Sie haben nicht erwartet, dass wir so schnell so viel Rückhalt bekommen. Deswegen schießen sie jetzt aus allen Rohren auf uns.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
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