US-Sicherheitsberater in Beijing
Von Jörg KronauerDas Ziel ist tief- und hochgesteckt zugleich: Jacob Sullivan, Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Joseph Biden, ist am Dienstag in Beijing eingetroffen, um in Gesprächen vor allem mit Außenminister Wang Yi das Abgleiten der US-amerikanisch-chinesischen Beziehungen in eine unkontrollierte Eskalation zu verhindern. Die Themen, die er dabei ansprechen will, sind weitgespannt: Sie reichen von den gefährlichen Spannungen im Südchinesischen Meer über den altbekannten US-Vorwurf, China unterstütze Russland im Ukraine-Krieg, bis hin zum angeblichen chinesischen Export von Vorprodukten für das in den USA weithin konsumierte Opioid Fentanyl. Mit herausragenden Ergebnissen, die anschließend bekanntgegeben werden könnten, sei nicht zu rechnen, hieß es vorab, um den Ball flachzuhalten. Allerdings wäre es nach Lage der Dinge schon ein echter Erfolg, gelänge es Sullivan und Wang, den Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik unter Kontrolle zu halten.
Günstig ist: Sullivan und Wang sind mittlerweile fast schon ein eingespieltes Team; sie betätigen sich seit mehr als einem Jahr als eine Art Feuerwehrmänner im transpazifischen Machtkampf. Nach dem Besuch der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi im August 2022 auf Taiwan hatte Beijing die Kontakte zu Washington nahezu auf null heruntergefahren. Erst bei einem Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping Mitte November 2022 auf Bali gelang es US-Präsident Biden, China zu einer erneuten Öffnung von Kommunikationskanälen zu bewegen. Der erste davon war derjenige zwischen Sullivan und Wang, die sich im Mai 2023 in Wien, danach in Malta sowie in Washington und im Januar 2024 in Bangkok zu ausführlichen Gesprächen trafen. Biden und Xi weiteten bei ihrem Treffen im November 2023 in San Francisco die bilaterale Beziehungspflege weiter aus, und mittlerweile reden Finanz- und Klimaexperten und sogar Militärs beider Seiten wieder miteinander.
China wird bei den Gesprächen mit Sullivan, wie das Außenministerium in Beijing vorab mitteilte, vor allem drei Themenkomplexe in den Mittelpunkt stellen: Taiwan, das Recht auf Entwicklung und die strategische Sicherheit. Taiwans Zugehörigkeit zu China sei die erste und bedeutendste »rote Linie« für die Volksrepublik, die keinesfalls überschritten werden dürfe, hielt das Ministerium fest. Chinas Recht auf Entwicklung werde durch eine immer weiter anschwellende Flut an Wirtschaftssanktionen in Frage gestellt. Die Bedrohung für die strategische Sicherheit der Volksrepublik, die in der militärischen Einkreisung durch die USA besteht – bis hin zur geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen –, führte Wangs Behörde nicht eigens aus. Wu Xinbo, Direktor des Center for American Studies an der Fudan-Universität, warnte im Gespräch mit der Global Times, gehe man mit diesen drei Komplexen nicht angemessen um, dann könnten die Beziehungen zwischen den USA und China nicht stabilisiert werden.
Dabei stelle sich allerdings die Frage, hielt die Global Times am Dienstag in einem Leitkommentar fest, ob Washington eine solche Stabilisierung tatsächlich anstrebe. So habe es kurz vor Sullivans Besuch reihenweise neue Sanktionen gegen chinesische Unternehmen verhängt. Sullivan selbst drang, bevor er gestern in Beijing als politischer Feuerwehrmann posierte, in Ottawa mit Erfolg darauf, dass Kanada – ganz nach US-Vorbild – Strafzölle von 100 Prozent auf die Einfuhr von Elektroautos aus China verhängt. Und während er am Flughafen in Beijing empfangen wurde, erklärte der Kommandeur des United States Indo-Pacific Command, Admiral Samuel Paparo, auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt der Philippinen, Manila, die US-Streitkräfte seien bereit, philippinische Schiffe, die aktuell im Südchinesischen Meer gefährliche Rangeleien mit Chinas Marine austragen, zu eskortieren. Die Auseinandersetzungen finden in Gewässern statt, die die Volksrepublik als ihr Hoheitsgebiet ansieht. Mischen sich die Vereinigten Staaten ein, dann steht ein gewaltsamer Zusammenstoß zwischen den Streitkräften beider Staaten womöglich unmittelbar bevor.
Siehe auch
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 20.08.2024
Kanonenboot zeigt Flagge
- 01.08.2024
Zur Angriffsplattform ausbauen
- 10.05.2023
Trittsteine der NATO
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Nicht vergessen
vom 28.08.2024 -
Vorstoß auf Belgorod
vom 28.08.2024 -
Khan drängt auf Haftbefehle
vom 28.08.2024 -
Spekulation auf Umsturz
vom 28.08.2024 -
Staatsstreich von oben
vom 28.08.2024 -
»Wir nennen es soziale Säuberung«
vom 28.08.2024