Der Pistolero des USK
Von Oliver RastSaisonauftakt, sonniger Sonnabend, 19. August im vergangenen Jahr. Die Fohlen kicken bei den Bayerisch-Schwaben. Borussia Mönchengladbach auswärts in Augsburg beim FCA. Ein Acht-Tore-Spektakel, und der letzte Treffer in der 90sten plus sieben Minuten. Wildes Match, dramatisches Remis. Wild und dramatisch ging es aber nicht nur im Stadion zu. Auch vor dem Einlass der Arena während des Kicks.
Nach Abpfiff der Partie kursierte ein Foto der Fanhilfe Mönchengladbach in »sozialen Medien«. Darauf deutlich erkennbar: ein Einschussloch in einem Fanbus der Gladbacher, einem Neunertransporter, direkt in der Raute des Klublogos, oberhalb der Hinterachse. Eine Attacke gegnerischer Desperados? Ein Fall jedenfalls, der am vergangenen Sonnabend im Deutschlandfunk rekonstruiert wurde. Titel: »Schuss bei Bundesligaspiel. Debatte über Spezialeinheiten beim Fußball«.
Die Gangart unter Ultras und Hools mag bisweilen hart sein, Schusswaffen samt verschossene Projektile indes gehören nicht zum Repertoire des handgreiflichen Meinungsaustauschs. Gut so. Bloß, wer war der Pistolero, wer der Schütze? Aufklärung folgte, später.
Ein Uniformträger einer Spezialeinheit war’s. Einer des sogenannten Unterstützungskommandos der bayerischen Polizei, des USK. Eine Ramboeinheit, die Spieltag für Spieltag Erst- und Zweitligisten im Freistaat besucht. Als Trupp fürs Grobe, als Korps für Drohgebärde und Angstmache. Und USKler ballern wild und dramatisch in der Umgebung rum? Zugegeben, eher nicht. Im Einzelfall dann doch, wie Maximilian K. halt.
Straflos blieb das nicht, jedenfalls nicht ganz. Die Anklage der Staatsanwaltschaft vor dem Augsburger Landgericht: »Gefährliche Körperverletzung im Amt« und »Sachbeschädigung«. Das Urteil am Donnerstag vor einer Woche: ein Jahr und acht Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung. Ein Richterspruch, mit dem der sogenannte Beamtenstatus des Pistolenpolizisten futsch ist. Alles gut also? Mitnichten.
USK-Kollegen, die als Zeugen geladen waren, schienen sich untereinander abgesprochen zu haben, berichteten Vertreter der Fanhilfe Augsburg. Die Fanhelfer haben den dreitägigen Prozess beobachtet und dokumentiert. Selbst Richter und Staatsanwalt blieb die nahezu identische Version des Vorgangs nicht verborgen. Ohne Nachweis auf Absprache kein Vergehen, keine etwaige strafbare Falschaussage.
Die Gerichtsversion geht in etwa so: Ein Quartett von USK-Beamten hatte sich vor dem Stadion gelangweilt, auch Maximilian K. Die Vierergruppe vertrieb sich die Zeit mit einer Art »Wasserschlacht«. Der Verurteilte fühlte sich demnach irgendwann »getriggert«, als eine »Spritzpistole« auf ihn von einem Kollegen gerichtet wurde. Kurzerhand zückte er seine Dienstwaffe – und schoss. Die Kugel verfehlte den Kopf des USKlers wohl nur um wenige Zentimeter und schlug im Fanbus ein. Vor dem Prozessauftakt war noch die Rede davon, dass sich ein Schuss, gewissermaßen versehentlich, per Zufall gelöst habe. Unter dem Strich blieben die exakten Umstände der Schussabgabe ungeklärt. Ein Bonbon: Vorsitzender Richter war Christoph Kern. Seit mehr als zwei Jahren gleichfalls Präsident des Bayerischen Fußballverbandes (BFV), der Nachfolger von Langzeitmehrfachfunktionär Rainer Koch.
Eine »unglückliche Personalunion«, finden nicht nur Fanaktivisten aus Augsburg und Gladbach. Davon unabhängig. Stadion und Umfeld zu befrieden wäre schön. Organisierte Kurvengänger fordern etwa: unabhängige Ermittlungsstellen für Polizeigewalt, Kennzeichnungspflicht für Einsatzkräfte, Schluss mit USK-Aufmärschen bei Kicks. Nicht nur zum Saisonauftakt.
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