Die gute alte Zeit
Von André DahlmeyerEinen wunderschönen guten Morgen! 1957 ist als Jahr der engelhaften Schmutzgesichter, der sogenannten Carasucias, in die Fußballgeschichte eingegangen. In Lima, Peru, gewann eine der besten argentinischen Nationalmannschaften aller Zeiten haushoch überlegen die 25. Ausgabe der Copa América. Es war der elfte Titelgewinn Argentiniens in diesem weltweit ältesten und am stärksten besetzten Kontinentalturnier für Nationalmannschaften. Wie wichtig das war, wie schwierig er nämlich zu erringen ist, dieser Titel, zeigt auch der Umstand, dass die Silberländer ihn seitdem nur noch fünfmal holen konnten – das letzte Mal im Juli 2024.
Im Jahr 1950 war die WM auf internationaler Bühne neu aufgetaucht, doch Argentinien partizipierte weder in Brasilien noch 1954 in der Schweiz. 1955 gewannen die Silberländer die Copa in Chile (Brasilien fehlte), 1956 hatten sie das (Gruppen-)Spiel um den Titel 0:1 gegen Gastgeber Uruguay verloren und rutschten so auf Rang drei. Zeit für eine Revanche. Die argentinischen Sportjournalisten waren außer Rand und Band. Sie rochen den Pfeffer, das mythische dieser Mannschaft mit ihrem außerirdisch anmutendem Angriff, den Oreste Omar Corbatta (zwei Tore), Humberto Maschio (neun, Torschützenkönig), Antonio Angelillo (acht), Enrique Omar Sívori (drei Tore; 1961 Europas Fußballer des Jahres) und Osvaldo Cruz (zwei) verantworteten. José Sanfilippo, damals Ersatz, steuerte einen Treffer bei. Im Kasten stand Real Madrids Tormann Rogelio Domínguez, der mit den Merengues zweimal den Europapokal der Landesmeister gewann, Trainer war Nationalidol Guillermo Stábile, mit acht Einlochungen Torschützenkönig der ersten WM 1930.
Die Albiceleste marschierte durch das Turnier: 8:2 gegen Kolumbien (vier Tore von Maschio), 3:0 gegen Ecuador, 4:0 gegen die starken Urus (zwei Tore von Maschio), 6:2 gegen Chile (zwei Tore von Maschio), und mit dem überlegenen 3:0 gegen Brasilien (ein Tor von Maschio, im Kasten stand Gylmar, Weltmeister 1958 und 1962), ein schierer Tanz, war der Titel bereits abgeheftet, das abschließende 1:2 gegen Gastgeber Peru nur Anekdote. Argentiniens Effizienz im Angriff war niederschmetternd. Sie machten alles wie im Training, Amateurspirit total, null Blockaden, sie waren einfach lässig, angeführt von River Plates Haudegen Néstor »Patrón« Rossi.
Der Dreizack des Teams – Maschio, Angelillo und Sívori – wechselte anschließend in die Serie A. Maschio und Sívori spielten bei der WM 1962 in Chile, Trainer war der zweimalige Weltmeister Giovanni Ferrari, im Team waren u. a. Lorenzo Buffon (Tor; Inter), Cesare Maldini und Giovanni Trapattoni (beide Milan). Italien wurde von Chile eliminiert, in dem Spiel brach der Spielmacher der Trasandinos, Leonel Sánchez, Maschio mit einem Faustschlag die Nase. Humberto Dionisio »Bocha« Maschio brillierte beim Racing Club (Copa Libertadores und als erstes argentinisches Team Gewinner des Weltpokals gegen Celtic Glasgow, beide 1967) und in Italien (Scudetto mit Internazionale, 1963 – an der Kalklinie der Argentinier Helenio Herrera, Erfinder des Catenaccio, der eigentlich Uwe Seeler wollte) sowie als Trainer (u. a. Copa Libertadores mit dem Erzrivalen von Racing, Independiente, 1973, wo er das Idol von Diego Maradona, Ricardo Bochini international debütieren ließ). Nach dem Weltpokaltriumph mit Racing zurückgetreten, war er kurzzeitig argentinischer Nationaltrainer während der WM-Quali für Mexiko 1970, wurde rasch entlassen. Bis heute die einzige WM, für die Argentinien sich nicht qualifizieren konnte. »Bocha« Maschio starb vergangene Woche 91jährig auf der Intensivstation, wo er nach einem häuslichen Sturz in Verbindung mit Nierenversagen und Herzproblemen das Zeitliche segnete.
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