Keine Kriegsgegner
Von Ido AradDer israelische Gewerkschaftsbund Histadrut hat am Montag mit einem Generalstreik zu einem Deal zur Befreiung der Geiseln aufgerufen. Doch dieser Protest sollte nicht als ein Aufruf für ein Ende des Kriegs in Gaza missverstanden werden. Denn die zwei erklärten Ziele der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu, sowohl die Hamas auszulöschen und parallel dazu eine Befreiung der israelischen Geiseln zu erreichen, teilt Histadrut weiterhin. Auch wenn die Ziele von Anfang an eine unlösbare Spannung zwischen zwei sich gegenüberstehenden Interessengruppen in der israelischen Gesellschaft bedeuteten.
Die erste, rechtskonservative Gruppe bleibt Netanjahu treu und ist bereit, ihn auch um den Preis getöteter Geiseln zu unterstützen. Sie sieht in der Zerstörung Gazas und des Westjordanlands eine Gelegenheit, neue Verhältnisse in den besetzten Gebieten zu schaffen. Die andere Gruppe, die Liberalen, sieht in dem Geiseldilemma ein Symbol für Netanjahus moralische Korruption. Die Protestbewegung für die Befreiung der Geiseln ist eine weitere Etappe im Kampf dieser Gruppe, die unliebsame israelische Regierung endlich loszuwerden. Ein Kampf, der schon in Zeiten der Justizreform seinen Ausdruck fand.
Diese gesellschaftliche Spannung brach mit der Nachricht von sechs getöteten Geiseln in Form des Generalstreiks am Montag auf. Doch die Unterstützer des Streiks und die Demonstranten haben ihre eigene »pragmatische« Sicht auf Israels Krieg gegen Gaza: Die Regierung solle zunächst ein Abkommen schließen, um die Geiseln zu befreien. Danach könnte sie sich wieder der zweiten, nicht weniger wichtigen Aufgabe widmen, die Hamas zu zerstören. Die Kriegsverbrechen der israelischen Armee, das von Israel verursachte Hungern und die verbreiteten Krankheiten haben dabei – verglichen mit dem Kampf gegen Netanjahu und seine Regierung – wenig Bedeutung.
Das beweist etwa der absolute Mangel an Interesse für die gefährliche Entwicklung, die in Dschenin im Westjordanland seit einigen Tagen zu beobachten ist. Für die rechtsradikalen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir bietet diese derzeit eine Gelegenheit, die israelische Siedlungspolitik auf Kosten der Palästinenser fortzusetzen. Für die Initiatoren des Streiks ist die Aktion in Dschenin indes kaum erwähnenswert.
Der Streik von Histadrut ist zudem nicht aus einem Impuls der Arbeiterbewegung in Israel entstanden. Er entspricht auch in keiner Weise ihren Interessen. Genau wie zur Zeit der Justizreform steht auch aktuell die Klasse der Kapitalisten in ihrem Kampf gegen die konservative Regierung im Zentrum des Geschehens. Wie damals haben die bürgerlichen Kräfte die Massen mobilisiert, in einem weiteren Versuch, ihre Macht zu behalten. Die Menschen in Gaza und das Massaker, unter dem sie leiden, spielen – und da sind sie sich einig – für keine der Gruppen eine Rolle.
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