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Aus: Ausgabe vom 07.09.2024, Seite 10 / Feuilleton
Krieg

Deutsch grüßen lernen: Wehrpflicht

Von Marc Hieronimus
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Gewissensprüfung: »Wenn dir auf der Straße einer ans Leder will?« – »Der kriegt von meiner Frau eins auf die Fresse«

Das »Wehr« in Wehrpflicht ist mit »War«, »Guerra« usw. verwandt, wir denken aber an »sich wehren«. Klar, wir würden doch nie einfach so Krieg führen. Grausam, verlogen und vor allem schuld sind immer die anderen, siehe Arthur Ponsonbys Klassiker »Lügen in Kriegszeiten«.

Jetzt wird über eine erneute Kriegspflicht diskutiert, aber in der Taz ruft ein Leon Holly schon vorauseilend »zu den Waffen, Genossen!«. Ein Berufssoldat als Vorgesetzter, der jünger und dümmer ist als ich, kommandiert mich rum und bringt mich in Gefahr? Das sind schon mal sechs Gründe, nicht zu dienen. Es kann Gründe geben. Aber Spanien 1936 ist nicht Ostukraine 2024, und wenn schon wie der Taz-Rekrut sich auf Orwell berufen, dann bitte auch zitieren: »Man hatte das Gefühl, plötzlich in einer Ära der Gleichheit und Freiheit aufgetaucht zu sein. Menschliche Wesen versuchten, sich wie menschliche Wesen zu benehmen und nicht wie ein Rädchen in der kapitalistischen Maschine.«

Da ist der Ton heute ein anderer. Ich habe den Kriegsdienst verweigert und werde es wieder tun. Die Begründung schrieb ich damals bei meinem Vater ab, zwei Weltkriege von deutschem Boden usw., nur dass das bei ihm 1968 nicht gereicht hatte. Da wurde man gefragt: »Aber wenn der Russe deine Frau vergewaltigt, schießt du dann nicht?« Nein, Krieg ist zu vermeiden. Wenn der Feindsoldat in unserem Schlafzimmer steht, ist alles falsch gelaufen, und wenn ich ihn erschieße, sterben wir alle drei. »Aber wenn dir auf der Straße einer ans Leder will …?« Der kriegt von meiner Frau eins auf die Fresse. Schade, dass der (Dienstgrad?) vom Kreiswehrersatzamt mich nicht in die Zange genommen hat. Also mich von heute. Mit 18 hätte ich rumgestammelt.

Mein Opa war schon Anfang 40, als er verweigerte. Er konnte so lustig erzählen, wie er mit der zu großen Volkssturmmütze da stand und deutsch grüßen lernen sollte. Das war nichts für ihn, da ist er zu Verwandten nach Thüringen. Keine Heldengeschichte. Aber auf Fahnenflucht stand damals der Tod. Maulheldentum bleibt unbestraft.

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