Marathon gegen die Bedeutungslosigkeit
Von Kristian StemmlerParteipolitischer Überlebenskampf: Spätestens seit den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am 1. September lässt sich nicht mehr leugnen, dass Die Linke ihre Basis in den ostdeutschen Regionen verloren hat. Entsprechend dramatisch fiel der Leitantrag für den Landesparteitag der Linken Sachsen-Anhalt aus, zu dem sich am Wochenende rund 120 Delegierte in Magdeburg trafen. Die Partei stehe an einem Punkt, hieß es da, »an dem sie seit ihrer Gründung noch nie war. Sie droht ihre politische Bedeutung zu verlieren«. Die »desaströsen Wahlergebnisse« ließen nur die Erkenntnis zu, »dass sich unsere Partei neu aufstellen muss«. Tatsächlich liegt Die Linke Sachsen-Anhalt, die vor gut drei Jahren noch mit satten 11,6 Prozent in den Landtag einzog, in Umfragen nur noch bei vier Prozent.
Bei dem angemahnten Neuanfang setzt der Landesverband auf bewährtes Personal. Janina Böttger und Hendrik Lange wurden als Landesvorsitzende wiedergewählt, allerdings mit eher bescheidenen Ergebnissen. Böttger kam auf 69,8 Prozent Zustimmung. 81 Delegierte stimmten für, 17 gegen sie, 18 enthielten sich. Lange hatte mit dem bisherigen Vizevorsitzenden Alexander Sorge einen Gegenkandidaten und erreichte 52,5 Prozent. 62 Delegierte votierten für Lange, 44 für Sorge. Es gab elf Enthaltungen, eine Stimme war ungültig.
Böttger erklärte laut dpa, Die Linke müsse konkrete Lösungen bei Fragen der sozialen Gerechtigkeit liefern, um es aus dem Tief zu schaffen. »Aufgeben ist keine Option«, rief sie aus. Die Landeschefin empfahl ihrer Partei, Verteilungsfragen und soziale Gerechtigkeit stärker in den Vordergrund zu stellen. Man kämpfe für Menschen, die bei Macht, Einkommen und Einfluss benachteiligt seien, also etwa Erwerbslose, Rentner und Alleinerziehende. Man müsse ältere Menschen und auch den ländlichen Raum wieder erreichen, so Böttger. Es gehe um öffentliche Daseinsvorsorge, Bildung, Gesundheitsversorgung, Mobilität. Die Linke müsse wieder unter Beweis stellen, »dass sie gebraucht werde«.
Der Kovorsitzende Lange setzte andere Schwerpunkte. Er behauptete, dass Die Linke die Friedenspartei in Deutschland sei. Im Ukraine-Krieg müsse es umgehend einen Waffenstillstand und Verhandlungen geben. »Krieg ist der Feind der Welt. Kein Krieg nirgends – das bleibt unser Markenkern«, rief Lange aus. Auch den Kampf gegen den Klimawandel hob er hervor. Wie Böttger betonte auch ihr Kovorsitzender, dass die Partei auf den ländlichen Raum angewiesen sei. Man müsse auch Pendlern dort Lösungen bieten. Er halte nichts von Diskussionen innerhalb der Partei, sich nur auf Metropolen zu konzentrieren.
Langes Gegenkandidat Sorge kritisierte die Arbeit im Landesvorstand. Er habe immer wieder darauf hingewiesen, dass diese nicht gut laufe, erklärte er. Nötig sei eine neue Art der Kommunikation, die Veränderungen erforderten Mut. Sorge bewarb sich nach der gescheiterten Kampfkandidatur nicht erneut um den Posten als stellvertretender Landesvorsitzender.
Ein Signal an die Bundespartei sandten die Delegierten mit ihrer Unterstützung für die zum Landesverband gehörende Ines Schwerdtner bei ihrer Kandidatur für den Parteivorsitz. Die Publizistin und der frühere Bundestagsabgeordnete Jan van Aken haben sich um die Nachfolge der bisherigen Bundesvorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan beworben. In ihrer Rede umschrieb Schwerdtner den Zustand der Partei mit den Worten: »Das Haus brennt!« Sie forderte eine neue politische Kultur in der Linken. Es gehe darum, »revolutionäre Freundlichkeit« und Solidarität zu leben, betonte sie.
Der Bundesparteitag in Halle im Oktober solle in die Geschichte eingehen als der Parteitag, auf dem man es geschafft habe, »das Ruder herumzureißen«. Die Neuaufstellung der Linken werde aber, so die Publizistin weiter, ein jahrelanger Prozess sei. Der Neuaufbau sei eine gemeinsame Aufgabe der Mitglieder. Das werde kein Sprint, sondern ein Marathon, betonte Schwerdtner.
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