Angebotsüberschuss auf dem Erdölmarkt
Von Knut MellenthinAcht Staaten der Interessengemeinschaft OPEC plus, darunter die größten Produzenten des Erdölkartells, halten zwei weitere Monate an der Vereinbarung vom November 2023 fest, ihre Fördermenge um insgesamt 2,2 Millionen Barrel pro Tag zu kürzen. Saudi-Arabien, Russland, Irak, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Kasachstan, Algerien und Oman hatten am 2. Juni beschlossen, diese Kürzung ab Oktober bis Ende September 2025 schrittweise vollständig auslaufen zu lassen. Diese Entscheidung war aber von Anfang an mit dem Vorbehalt versehen, ihre Durchführung »entsprechend den Marktbedingungen« jederzeit unterbrechen oder sogar rückgängig machen zu können.
Am Donnerstag vergangener Woche gaben die acht Staaten nach einer Videokonferenz bekannt, dass sie den Beginn der Produktionssteigerung um zwei Monate auf den 1. Dezember verschoben haben. Diese Entscheidung ist eine Reaktion auf das anhaltend niedrige Niveau der Erdölpreise. Da keine Änderung dieses Trends in Aussicht ist, wird vermutlich in spätestens zwei Monaten erneut die Entscheidung anstehen, ob die acht Staaten wirklich ihre Produktion wieder ankurbeln wollen.
Der Preis für den international wichtigsten Orientierungswert Brent wurde am Freitag bei Börsenschluss mit 71,06 Dollar pro Barrel notiert. Das ist der niedrigste Stand seit dem 3. Dezember 2021. Damals wirkten noch die Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens und der Wirtschaftstätigkeit durch die Maßnahmen, die aufgrund der Covid-19-Pandemie angeordnet worden waren. Zwischenzeitlich waren die Erdölpreise wieder angestiegen. Mitte August war Brent mit etwas über 80 Dollar pro Barrel gehandelt worden. Der für Nordamerika wichtigste Wert WTI (West Texas Intermediate) lag damals bei 78 Dollar, am vergangenen Freitag jedoch nur noch bei 67,67 Dollar.
Neben der Kürzung der Fördermenge der acht Staaten um 2,2 Millionen Barrel pro Tag, die im November 2023 beschlossen wurde, ist noch eine weitere in einer Gesamthöhe von 1,65 Millionen Barrel pro Tag in Kraft, die sie schon im April 2023 vereinbart hatten. Deren Gültigkeit hatten sie am 2. Juni bis Ende 2025 verlängert. Zusätzlich gelten für 19 der 22 Mitglieder des Erdölkartells OPEC plus Höchstquoten, die kollektiv festgelegt werden und die sie nicht dauerhaft überschreiten dürfen. Von solchen Begrenzungen ihrer Erdölproduktion befreit sind nur Iran und Venezuela wegen der gegen sie laufenden westlichen Sanktionen und Libyen wegen der angespannten innenpolitischen Situation.
Mit allen Einschränkungen der Fördermenge zusammengenommen ist es seit dem vorigen Jahr nicht gelungen, die Erdölpreise auf einer Höhe zu stabilisieren, die mehrere Mitglieder des Kartells unbedingt benötigen, um ihre Staatsausgaben zu finanzieren. Die Risiken für Produktion und internationale Transportwege des Erdöls, die sich aus den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten ergeben, haben sich bisher nicht spürbar auf die Weltmarktpreise des Rohstoffs ausgewirkt, obwohl das nach der klassischen Theorie zu erwarten gewesen wäre. Auch der Ausfall von bis zu einer Million Barrel pro Tag aufgrund einer aktuellen Zuspitzung des Streits zwischen den beiden konkurrierenden Regierungen in Libyen hat nicht zu einem nachhaltigen Anstieg der Erdölpreise geführt.
Begründet ist das offenbar in der anhaltenden Ungewissheit über die Entwicklung der Nachfrage vor allem in den USA und in China, die beide sehr viel Erdöl verbrauchen. Die führenden Analysten gehen davon aus, dass schon jetzt global betrachtet ein Angebotsüberschuss besteht, der im nächsten Jahr noch weiter anwachsen wird. Das auf diesem Gebiet tätige Unternehmen Citigroup mit Hauptsitz in New York hatte in der vergangenen Woche sogar einen Absturz der Erdölpreise auf ungefähr 50 Dollar pro Barrel vorausgesagt, falls die acht Staaten der OPEC plus an der Steigerung ihrer Fördermenge ab Anfang Oktober festgehalten hätten.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (9. September 2024 um 11:50 Uhr)Ergänzend zum Artikel: OPEC-plus (auch: OPEC+) ist keine internationale Organisation, sondern eine Kooperationsplattform zwischen den 13 Mitgliedstaaten der OPEC und 10 weiteren kooperierenden Nicht-OPEC-Ölförderländern. OPEC-Mitglieder (nach Regionen geordnet): Naher Osten: Irak, Iran, Kuwait, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate (VAE) Afrika: Algerien, Libyen, Angola, Äquatorialguinea, Gabun, Nigeria, Republik Kongo (nicht Demokratische Republik Kongo!) Südamerika: Venezuela Kooperationspartner (nach Regionen geordnet): Nordamerika: Mexiko Afrika: Sudan, Südsudan Naher Osten: Bahrain, Oman Eurasien: Russland, Kasachstan, Aserbaidschan Südostasien: Malaysia, Brunei Die USA gehören nicht dazu, jedoch sind fast alle anderen bedeutenden Ölförderländer vertreten. Ein wichtiger Meilenstein war die Kooperationsvereinbarung von 2016 (Declaration of Cooperation, DoC), die die Zusammenarbeit zwischen der OPEC und den Partnerländern offiziell machte. Diese Vereinbarung zielt darauf ab, den globalen Ölmarkt zu stabilisieren und Preisschwankungen durch koordinierte Produktionsentscheidungen zu steuern – oder eben zu manipulieren. Trotz aller Debatten über Markteingriffe ist es für uns Verbraucher beruhigend, dass dank fortschrittlicher Technologien immer wieder neue Erdölfelder erschlossen werden. Entgegen früheren Prognosen gibt es weiterhin reichlich Öl. Außerdem der zunehmende Wettbewerb führt dazu, dass mehr Öl gefördert wird, und letztlich richten sich die Preise nach den fundamentalen Prinzipien von Angebot und Nachfrage.
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