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Aus: Ausgabe vom 09.09.2024, Seite 10 / Feuilleton
Jazz

Die trauen sich was

Das funkelnde Debüt der Saxophonistinnen Irene Reig und Kika Sprangers
Von Andreas Schäfler
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Gesundes Selbstbewusstsein: Kika Sprangers (l.) und Irene Reig

Man könnte auch noch zwei, drei Jahre warten mit einer Empfehlung für die beiden Altsaxophonistinnen Irene Reig und Kika Sprangers. Und würde dann, falls sie tatsächlich durchstarten, vielleicht schon in einen ganzen Chor von Huldigungen einstimmen. Doch zum einen ist ihr Quintettdebütalbum »Alto for Two« überzeugend genug für einen aktuellen Tipp, und zum andern weist man auch auf so hochkarätigen Nachwuchs besser heute als übermorgen hin. Wer sich bei der Berufswahl ausgerechnet für Jazzmusik entscheidet, nimmt ja einen steinigen Weg unter die Füße – sogar dann, wenn es wie bei den hier Beteiligten schon früh Anerkennung und sogar dotierte Preise geregnet hat. Kaum fertig ausgebildet, müssen solche jungen Cracks in der Regel auch selbst unterrichten, um über die Runden zu kommen, sich zudem um Auftrittsmöglichkeiten, öffentliche Förderung und ein möglichst dynamisches Platten­label bemühen. Die in Bremen ansässigen Berthold Records haben nun ein Konzert des Reig-Sprangers-Quintetts im dortigen Sendesaal mitgeschnitten, der nicht nur weltbekannt für seine exquisite Akustik ist, sondern vielleicht auch noch ein paar Körnchen vom Karma der Legenden mitliefert, die hier schon aufgetreten sind: von Charles Mingus bis Keith Jarrett, von John Cage bis Alfred Brendel.

Die Überväter der Katalanin ­Irene Reig und der Niederländerin Kika Sprangers sind naturgemäß eher unter den großen Bläsern der Jazz-Historie zu finden: John Coltrane, Wayne Shorter und, explizit auf das Altsaxofon bezogen, Charlie Parker. Dazu kommt noch Duke Ellington, der von Reig und Sprangers als Vorbild für die Orchestrierung ihrer musikalischen Ideen aufgerufen wird. Was auf »Alto for Two« aber zuvorderst hörbar wird, ist das gesunde Selbstbewusstsein der Leaderinnen, mit dem sich erfolgreiche Klischeevermeidung praktizieren lässt. Zumal alle im Quintett schon einiges auf dem Kerbholz haben: instrumentale Könnerschaft, die aber selbst bei einem funkensprühenden Pianisten wie Xavi Torres ohne Angeberei auskommt, melodische Originalität und ein ausgeprägtes Faible fürs Ensemblespiel. Ziemlich grandios agiert auch die Breitwandrhythmusgruppe mit dem niederländischen Kontrabassisten Thomas Pol und der südkoreanischen Drummerin Sun-Mi Hong, die bereits mit ihrem eigenen Quintett von sich reden machte und für »Alto for Two« zwei Kompositionen beigesteuert hat.

Fast alle Stücke (durchweg Eigenkompositionen) beginnen vorsichtig tastend, meist mit unisono oder zweistimmig geblasenen Themen, fächern sich dann zwischen Reigs temperamentvoll-mediterranen und Sprangers’ charmant vergrübelten Linien auf und nehmen im Quintett bald eine solide dreidimensionale Gestalt an. Auf diesen stets nachvollziehbaren Fährten ist man hier sogar als Plattenhörer noch nah dran an einem Work in progress, der sich dem Prinzip »Wer wagt, gewinnt« verschrieben hat und alle Beteiligten mit einer gehörigen Portion Freiheit und Frische belohnt. Es ist wohl exakt dieser Mut zum Risiko, der junge talentierte Musikerinnen und Musiker immer wieder herausfordert und sie manchmal in drei Teufels Namen alles auf die Karte Jazz setzen lässt. Wenn das bei Irene Reig und Kika Sprangers in etwa so weitergeht, ist ihnen bald noch eine Menge mehr zuzutrauen.

Irene Reig/Kika Sprangers Quintet: »Alto for Two« (Berthold Records/Cargo)

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