House for Sale
Von Gert HechtJa, geht’s denn im Theater nun zu wie im Fußball? Das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz- Zittau verkauft die Namensrechte am eigenen Haus. Weg mit Hauptmann, dem »internationalen Opportunismus in deutschen Reimen«, wie der Dichter und Dramatiker Peter Hacks über den Literaturnobelpreisträger befand, der sich erst den Sozis und dann den Nazis an den Hals warf. Kommt etwa die Peter-Hacks-Gesellschaft bei der Umbenennung zum Zuge? Wohl kaum. Es dürfte schlicht an nötigen Geldmitteln fehlen.
»Wir haben mit den beiden großen Häusern in Görlitz und Zittau prachtvolle Immobilien in allerbester Stadtlage, die sich für Werbung hervorragend eigenen«, teilte vorige Woche das Theater mit. Und weiter: Interessierte Unternehmen und Privatpersonen könnten ein Gebot für die Namensrechte für beide Spielstätten abgeben. Verkauft werden die Namensrechte an den Häusern sowie die Nennung auf der Homepage, in Printprodukten, auf Plakaten und Social-Media-Plattformen. Sommerschlussverkauf im Theater?
Daniel Morgenroth, der verantwortliche Intendant in Görlitz und Zittau, macht schon länger darauf aufmerksam, dass den Theatern abseits der großen Metropolen das Geld ausgeht. Allgemeine Teuerung, steigende Energiekosten und höhere Tariflöhne ohne mehr Förderung bringen kleine Häuser in finanzielle Schwierigkeiten. Ist ein Sponsoring, wie man es aus dem Kommerzfußball kennt, die Lösung? Allianz- oder Coca-Cola-Theater Görlitz-Zittau könne er sich gut vorstellen, erklärte Morgenroth dem MDR. Oder, nach dem Vorbild des BVB, auch Rheinmetall-Theater.
»House for Sale« hieß vor ein paar Jahren ein Stück des inzwischen verstorbenen René Pollesch, also Haus zum Verkauf. Will man in Görlitz und Zittau nun die Kunst zur Wirklichkeit treiben? Die Idee privater Kunstförderung vor allem in »strukturschwachen Regionen« wird schon länger in entsprechenden Thinktanks diskutiert. Dass Kultur ein öffentliches Gut ist, das zu einer allgemeinen Daseinsvorsorge gehört, wird immer öfter in Frage gestellt. Von »Kanonen statt Butter« – und statt Kunst – reden heute wieder Wirtschaftsbosse und Politiker.
Am Theater Görlitz-Zittau, welchen Namen es auch immer tragen wird, steht die aktuelle Spielzeit unter dem Motto »Kapital«. Dabei wird unter anderem eine Oper über den italienischen Marxisten Antonio Gramsci von Cord Meijering uraufgeführt, ein Schüler des kommunistischen Komponisten und KPI-Mitglieds Hans Werner Henze. Gramsci-Oper im Blackrock-Theater Görlitz-Zittau? Und Friedrich Merz, als ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender und Lobbyist des US-Investors, unter den Ehrengästen? Dann bitte doch lieber Peter-Hacks-Theater Görlitz-Zittau. Spenden Sie jetzt!
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Hauptmann kommt das Verdienst zu, erstmalig die sozialen Probleme des Kapitalismus auf die Bühne gebracht zu haben. Damit warf er sich niemandem »an den Hals«. »Die Weber« wurden zunächst verboten. Auch das Werk genialer Opportunisten hat künstlerischen Wert und muss erhalten und geehrt werden. Widmeten nicht Bach und sein Sohn den preußischen Kriegsherren Werke? War Goethe nicht Bewunderer eines Massenmörders (Napoleon)? War Brahms nicht glühender Anhänger von Bismarck und wäre nach eigenen Worten »am liebsten selbst mit marschiert«? Zu welchen Massenmorden unter Stalin schwiegen Brecht und Seghers? Richard Strauss schrieb ein Geburtstagsständchen für den NS-Mörder Koch. Hauptmann hielt sich – wie auch jetzt die meisten Kulturschaffenden – abgesehen von den Jugendwerken tatsächlich immer in der Nähe des Mainstreams. Er unterschrieb 1914 das Manifest von 93 Wissenschaftlern und Künstlern für die volle Unterstützung aller Kriegsziele Deutschlands und erhielt zwei Jahre später einen hohen Orden vom Kaiser (nach Nobelpreis 1912). Nach 1918 folgten Angebote Reichspräsident bzw. Reichskanzler zu werden. Das lehnte er ab. 1933 Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP (wurde abgelehnt). Dann brachte er eine Ausgabe von »Mein Kampf« mit seinen Kommentaren heraus! Andere Werke wurden von der Nazizensur verboten. Hauptmann wurde dennoch in der UdSSR wegen seinen für ihre Zeit revolutionären Erstwerken hoch geschätzt. Die gesamte Stalin-Ära war neben unzweifelhaften Erfolgen auch eine Zeit von Opportunismus und Wegschauen bei den Morden an aufrechten Kommunisten. Ein Theater muss nicht Hauptmanns Namen tragen. Aber seinen Werken sollte man die gleiche Achtung entgegenbringen wie den Werken der anderen genannten Opportunisten auch.